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Pilot über Boeing 737 Max 8„Man weiß nichts Genaues“

Die Diskussion darüber, ob der Flugzeugtyp unsicher ist, ist verfrüht, sagt Janis Schmitt von der Pilotenvereinigung Cockpit.

Boeing 737 Max 8: Verkehrsminister Scheuer hat ein Überflugverbot für Deutschland verfügt Foto: dpa
Anja Krüger
Interview von Anja Krüger

taz: Herr Schmitt, die Aufregung über den zweiten Absturz einer Boeing 737 Max 8 innerhalb eines halben Jahres ist groß. Würden Sie als Pilot so eine Maschine fliegen?

Janis Georg Schmitt: Aktuell gehe ich nicht davon aus, dass das Flugzeug per se unsicher ist und dass man Angst haben müsste einzusteigen. Die Mehrzahl dieser Maschinen ist ohne Probleme unterwegs. Wir haben noch keine abschließenden Unfallberichte. Wenn sich aufgrund der Untersuchung herausstellt, dass das Flugzeug unsicher ist, müssen natürlich Konsequenzen gezogen werden.

Viele Passagiere sind beunruhigt, nachdem zwei Maschinen dieser Bauart abgestürzt sind. Mit Grund?

Ich kann keine Empfehlung aussprechen. Die Diskussion, ob die Flugzeuge dieser Bauart sicher sind, halte ich für verfrüht. Aktuell wissen wir nur, dass zwei Flugzeuge innerhalb eines halben Jahres abgestürzt sind. Ob die beiden Unfälle etwas miteinander zu tun haben, wissen wir nicht. Auch zu dem ersten Absturz gibt es noch keine finale Meinung. Wir haben aktuell zu dem zweiten Absturz noch keine Erkenntnisse. Das kann sich natürlich laufend ändern. Wenn sich herausstellt, dass für den Unfall zum Beispiel das Steuersystem des Flugzeugs verantwortlich ist, muss dringend gehandelt werden und der Hersteller Lösungen liefern, die einen sicheren Flug garantieren.

Im Interview: Janis Georg Schmitt

ist Pilot und Sprecher der Pilotenvereinigung Cockpit

China, Singapur, Australien und andere Länder haben ein Startverbot für diese Maschinen verhängt. Warum?

Auch dort liegen nach meinen Informationen noch keine anderen Erkenntnisse vor, auch dort weiß man noch nichts Genaues zur Unfallursache. Über die Gründe, warum es in diesen Ländern ein Startverbot gibt, können wir nur spekulieren.

Boeing 737 Max 8 am Boden

Nach dem Flugzeugabsturz der Boeing 737 Max 8 in Äthiopien wird der deutsche Luftraum für Maschinen des Flugzeugstyps gesperrt. Das sagte Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) dem Sender ntv am Dienstag. In Deutschland starten und landen keine Maschinen dieses Typs. Nach Australien und einigen asiatischen Staaten hatte zuvor Großbritannien als erstes europäisches Land ein Startverbot verhängt. Die europäische Luftfahrt-Behörde EASA untersagte den Betrieb der Flugzeugtypen Boeing MAX 8 und MAX 9 für Europa. Auch der weltgrößte Reisekonzern Tui stoppte alle Flüge mit dem Flugzeugtyp. Tui hat bei seinen Airlines in Großbritannien und den Benelux-Ländern insgesamt 15 Maschinen im Einsatz. Die deutsche Tochter Tuifly soll ihre erste 737 Max erst in einigen Wochen bekommen. (dpa/rtr)

Sollte Deutschland auch ein Startverbot verhängen?

In Deutschland fliegt Stand heute noch kein Flugzeug dieses Modells.

Von 350 ausgelieferten Maschinen lassen verschiedene Airlines rund 130 am Boden, die übrigen bleiben in Betrieb. Ist das fahrlässig?

Ich tue mich schwer damit, das aktuell zu bewerten. Die meisten Maschinen fliegen ohne Zwischenfälle. Und wie gesagt: Über den zweiten Absturz wissen wir noch nichts Detailliertes.

Ermittler vermuten, dass eine Steuerungssoftware Ursache für die Abstürze ist. Können Piloten bei Problemen den Computer einfach ausschalten und per Hand fliegen?

Ein Flugzeug sollte so konstruiert sein, dass der Pilot alle Automatismen ausschalten und das Flugzeug manuell fliegen kann. Dazu sind Piloten entsprechend geschult. Es ist nämlich nicht so, dass der Autopilot alles macht. Grundsätzlich ist das mit der fortschreitenden Technisierung und Automatisierung ein zweischneidiges Schwert. Die Technik schreitet immer weiter voran, wird immer komfortabler und sicherer. Aber die, die im Cockpit sitzen, müssen die Technik auch verstehen können und jederzeit in der Lage sein, ohne diese zusätzlichen Hilfen zu fliegen und zu landen.

Aber es gibt auch die Vorstellung vom autonomen Fliegen?

Hersteller reden immer mehr vom autonomen Fliegen. Wenn wir komplett auf autonome Systeme umsteigen, kann es dazu kommen, dass ein Softwareproblem zu fatalen Folgen führen kann, wenn niemand mehr eingreifen kann. Der Pilot muss trotz steigender Komplexität der Systeme jederzeit Herr der Lage sein. Aktuell ist das der Fall und wir müssen dafür sorgen, dass es dabei auch bleibt.

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2 Kommentare

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  • Zitat: „Über die Gründe, warum es in diesen Ländern ein Startverbot gibt, können wir nur spekulieren.“

    Fein! Spekulieren kann ich. Darüber etwa, dass der Grund für die Start- bzw. Überflug-Verbote eine gewisse Vorsorge ist. Eine, die sich aus dem Wissen um die Profitraten ergibt, die mit Flugreisen erzielt werden – und aus dem Wissen darum, wie groß die Verluste sein können, wenn Flugzeugbauer einen Fehler zugeben müssen.

    Die meisten Menschen möchten gerne vertrauen. Erst, wenn sie gar nicht mehr umhin können misstrauisch zu werden, fangen sie an Fragen zu stellen. Die etwa, was alles noch passieren kann und wem das nutzt. Und wem nicht. Boeing weiß das vermutlich. Die teuren Werbefuzzies, die sonst mittels Psycho-Tricks den Umsatz ankurbeln, können‘s notfalls erklären.

    So lange die Ursache der beiden Abstürze also nicht geklärt ist, ist mit dem Schlimmsten zu rechnen. Damit etwa, dass die Entscheider bei Boeing um ihrer Zahlen willen ein Risiko eingeht, das sie selber nicht tragen müssen, sondern Menschen überlassen können, die sie nicht kennen und schon deswegen auch nicht besonders mögen. Nicht erst VW hat‘s vorgemacht.

    Was würde wohl passieren, wenn es keine Überflug- oder Startverbote gäbe? Ganz einfach: Gar nichts. Denn so lange noch nach der Ursache gesucht wird, dürfen die Leute nicht urteilen. Schon gar nicht, wenn sich ein Pilot findet, der es wissen muss und einen Persilschein ausstellt. Ist die Ursache allerdings erst mal gefunden und liegt sie nicht allein in menschlichem Versagen, kann das verdammt teuer werden.

    Egal, welches technische Problem es gab: Wenn sich herausstellt, dass ein Flugzeug der Flotte nicht in Ordnung war, dürfen potentielle Passagiere offiziell annehmen, dass auch andere Flieger Macken haben. Denn wo Kontrollen einmal versagt haben, können sie wieder versagen.

    Wie man‘s auch dreht – Boeing hat ein Problem. Am liebsten wäre es der Firma wohl, wir alle würden diesen Unfall ganz schnell wieder vergessen. So wird es kommen.

  • "Sollte Deutschland auch ein Startverbot verhängen?

    In Deutschland fliegt Stand heute noch kein Flugzeug dieses Modells."

    Klar falsch: wurde schon in den Medien bestätigt, das natürlich auch hier 737 Max 8 landen und starten... richtig ist es gibt keine deutschen Betreiber