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Pflegekräfte auf der Intensivstation„Kollegen wie Zombies“

Die Intensivpflegekräfte am Hamburger Universitätskrankenhaus sind dauerhaft überlastet. Für Freitag planen sie eine Kundgebung.

Intensivpflege ist viel mehr, als das Überwachen von Vitalzeichen. Hier eine Pflegekraft in Kiel Foto: Frank Molter/dpa

Hamburg taz | Zeit, sich den Pa­ti­en­t*in­nen wirklich zuzuwenden und mit ihnen zu sprechen, gebe es am Hamburger Universitätsklinikum Eppendorf (UKE) keine mehr. Nur noch traurig und schlecht sei die Arbeit, die die Pflegekräfte noch leisten könnten. „Es gibt Kollegen, die sehen mittlerweile aus wie Zombies.“ So beschreibt es eine Pflegekraft, die auf einer Intensivstation des UKE arbeitet. Sie befürchtet Repressionen durch ihren Arbeitgeber und möchte deshalb anonym bleiben.

In den letzten Monaten berichteten die Intensivpflegekräfte der Klinik immer wieder von ihrer Überlastung. Das Hamburger Bündnis für mehr Personal im Krankenhaus und die Ver.di-Betriebsgruppe UKE rufen nun am Freitag um 14.30 Uhr zu einer Kundgebung vor dem Haupteingang der Klinik auf, um erneut auf die Situation aufmerksam zu machen. „Mit Berichten von Kol­le­g*in­nen aus der Pflege soll der Forderung nach einer spürbaren Entlastung noch mehr Gehör verschafft werden“, heißt es in dem Aufruf.

Mit mehreren Briefen hatten sich die Pflegekräfte im vergangenen Jahr an den Vorstand der Klinik gewandt, erstmals im August. Sie beschrieben den Dauerstress ihrer Kolleg*innen, der dazu führe, dass Pflegekräfte kündigten oder ihre Arbeitszeit reduzierten. Die adäquate Versorgung und Sicherheit der Pa­ti­en­t:in­nen könne nicht immer gewährleistet werden. Teilweise sei eine Pflegekraft für vier schwerkranke Pa­ti­en­t*in­nen zuständig, schreiben die Pfleger*innen. Die Hygiene könne deshalb nicht immer eingehalten werden, Grundpflege müsse manchmal entfallen und auch die Einarbeitung neuer Kol­le­g*in­nen komme zu kurz.

Die Forderung der Pflegekräfte: Es braucht eine Entlastungsvereinbarung, eine Pflegekraft soll auf der Intensivstation pro Schicht höchsten zwei Pa­ti­en­t*in­nen versorgen müssen.

Pflegekräfte weigerten sich, einzuspringen

Weil das UKE aus ihrer Sicht aber nicht genug tat, um die Situation zu verbessern, weigerten sich die Intensivpflegekräfte dann eine Zeit lang, an ihren freien Tagen einzuspringen, wenn eine Kol­le­g*in für einen Dienst ausfiel.

Wie schon in der Vergangenheit heißt es aus der Pressestelle des UKE auch jetzt, dass man sich mit den Beteiligten in Gesprächen befinde, auch zum Thema Entlastung. In Gesprächen werde man auch weiterhin „Lösungen erarbeiten, um die Wünsche der Mitarbeitenden und die betrieblichen Aspekte in eine gute Balance zu bringen“.

Den Pflegekräften reicht das nicht. Es gebe zwar diese Gespräche und es seien auch Betten gesperrt worden, eine nachhaltige Verbesserung und eine schriftliche Vereinbarung gebe es aber immer noch nicht. „Es entsteht der Eindruck, dass die Verantwortlichen versuchen, Zeit zu schinden“, sagt die Intensivpflegekraft zur taz.

Druck auf die Klinikleitung

Mit der Aktion vor dem Krankenhaus am Freitag solle deshalb der Druck auf die Klinikleitung erhöht und mehr Öffentlichkeit für die Forderungen geschaffen werden. „Das UKE ist die Klinik der Hamburgerinnen und Hamburger“, sagt die Pflegekraft. „Die Leute haben ein Recht zu erfahren, was da los ist.“

Und das, was da los ist, betrifft offenbar auch nicht nur die Intensivstationen. Auch die Mitarbeitenden der Zentralen Notaufnahme am UKE berichteten vergangenes Jahr in einem Brandbrief von ständiger Überlastung, die auch die Pa­ti­en­t:in­nen gefährde.

In einer Befragung von Pflegenden, die die Ver.di-Betriebsgruppe im UKE im letzten Jahr durchgeführt hat, gaben laut Ver.di 79 Prozent der 400 Teilnehmenden an, ständig überlastet zu sein. 75 Prozent sahen demnach ihre eigene Gesundheit oder die der Pa­ti­en­t*in­nen gefährdet. Ver.di habe ein Interesse daran, eine Entlastungsvereinbarung auch für die anderen Abteilungen im UKE zu erreichen, sagt Stefanie Ullmann, Gewerkschaftssekretärin bei Ver.di. „Wir wollen den anderen Kol­le­g*in­nen zeigen, dass der Protest und der Schulterschluss mit Kol­le­g*in­nen etwas bewirken und verändern kann.“

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