Pflegeheim beklagt zwölf Corona-Tote: Entsetzen in Wolfsburg
In einem Pflegeheim für Demenzkranke sterben zwölf Bewohner an Covid-19. In Bayern steht ein Ankerzentrum mit 600 Menschen komplett unter Quarantäne.
Der niedersächsische Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) und der hannoversche Landesbischof Ralf Meister zeigen sich bestürzt. „Wir alle blicken mit Anteilnahme und großer Sorge nach Wolfsburg“, sagte Weil. Der evangelische Bischof Meister sagte: „Ich bin erschüttert und tieftraurig. Mein Mitgefühl ist bei den Angehörigen der Verstorbenen.“
Nach Angaben der Stadt Wolfsburg wurden in dem Heim der Diakonie insgesamt 72 Bewohner positiv auf das Coronavirus getestet. Das Haus hat 165 Plätze. Infizierte und gesunde Bewohner wurden nach Etagen strikt voneinander getrennt, um weitere Ansteckungen zu vermeiden. Einige der Verstorbenen hätten vor ihrem Tod keine Symptome von Covid-19 gezeigt, hieß es.
Wie genau das Virus in das Haus gelangte, sei noch nicht abschließend geklärt, sagte Sprecherin Bettina Enßlen von der Wolfsburger Diakonie. Die demenzkranken Bewohner verstünden die Abstandsregeln nicht, erläuterte sie. „Sie haben einen großen Bewegungsdrang. Man kann ihnen nicht erklären, warum sie auf ihren Zimmern bleiben sollen.“ Das Pflegeheim habe schon seit langem seine Türen für Besucher geschlossen. Umso bitterer sei es, dass jetzt diese Serie von Todesfällen auftrete.
Kaum zu ertragene Situation
Heimleiter Torsten Juch sagte, die Arbeit mit demenziell veränderten Menschen sei eine große Herausforderung. „Jegliche Form der Veränderung wie Ortswechsel, Menschen in Schutzkleidung oder vermummte Gesichter lösen Irritationen und Ängste aus.“
Ralf-Werner Günther vom Vorstand der Diakonie Wolfsburg sagte, das Pflegepersonal in dem Heim arbeite zurzeit deutlich mehr als sonst und werde dabei von 28 zusätzlichen Kräften unterstützt: „Jetzt ist für uns die Zeit des Kämpfens gegen das Virus.“ Für die Angehörigen der Demenzkranken sei die Situation kaum zu ertragen.
Appell des Bischofs: Schützt die Älteren
Der Krisenstab der Stadt hatte zunächst veranlasst, einen Teil der hochbetagten Menschen zu evakuieren und in einem Hotel unterzubringen. Nach weiterer Abwägung entschieden sich die Verantwortlichen jedoch dazu, die Bewohner in ihren gewohnten Umfeld zu belassen. Einige der Infizierten wurden in eine Klinik gebracht.
Bischof Meister appellierte an die Bevölkerung, die geltenden Regelungen zur Eindämmung des Erregers einzuhalten: „Die Dramatik, mit der Covid-19 ältere Menschen gefährdet, fordert von uns in unserem eigenen Verhalten konsequente Verantwortung.“ Auch in Würzburg ist ein Seniorenstift besonders von der Corona-Pandemie betroffen. In dem Heim St. Nikolaus starben inzwischen ebenfalls zwölf Menschen.
Positiv Getestete auch in einem Flüchtlings-Ankerzentrum
Von der Seuche sind aber nicht nur alte Menschen besonders gefährdet. Nachdem sieben Flüchtlinge und ein externer Beschäftigter in einem Ankerzentrum im bayerischen Geldersheim in Unterfranken positiv auf Sars-CoV-2 getestet worden sind, haben die Behörden sämtliche etwa 600 Bewohner*innen unter Quarantäne gestellt
Die infizierten Bewohner sollten in einem gesonderten Gebäude unterkommen. Das teilte die Regierung von Unterfranken mit. Für die Einrichtung gelte ein Aufnahme- und Verlegungsstopp.
In dem Ankerzentrum im Landkreis Schweinfurt soll die Identität von Flüchtlingen festgestellt werden. Der Wortteil „Anker“ ist aus den Anfangsbuchstaben folgender Wörter gebildet: An(kunft), k(ommunale Verteilung), E(ntscheidung) und R(ückführung).
Ankerzentren sollen nach dem „Masterplan Migration“ von Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) die Asylverfahren und damit auch eine Abschiebung derjenigen beschleunigen, die kein Bleiberecht bekommen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!