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Pflegedienste contra SenatFrontalangriff auf Patientenvertrauen

Pflegedienstverband verwahrt sich gegen Betrugsvorwürfe durch den CDU-Staatssekretär Michael Büge. Der hatte sich schon als Neuköllner Stadtrat ähnlich geäußert.

Ein Drittel der 560 ambulanten Pflegedienste in Berlin soll systematisch betrügen und Leistungen abrechnen, die in Wirklichkeit gar nicht erbracht werden: Das hat Michael Büge (CDU), Staatssekretär für Soziales, jüngst der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung (FAS) gesagt. Man konnte sich an Büges Äußerungen vom September erinnert fühlen: Damals hatte er als Sozialstadtrat von Neukölln dieselben Vorwürfe erhoben. Mit einem Unterschied: Im Herbst war sogar von der Hälfte aller Pflegedienste die Rede gewesen.

„Ich frage mich, wie Herr Büge auf diese neuen diffamierenden Zahlen gekommen ist. Die Faktenlage hat sich seit September nicht geändert“, ärgert sich Thomas Meißner, der stellvertretende Vorsitzende des Anbieter-Verbands qualitätsorientierter Gesundheitseinrichtungen (AVG) der taz. Doch weder habe der Staatssekretär bisher die Einladungen der Pflegedienste zum Gespräch angenommen noch erklärt, wie er zu diesen Zahlen gekommen sei. Wenn man die angeblichen 100 Millionen Euro Schaden jährlich auf die Pflegedienste herunterrechne, komme man auf über 500.000 Euro pro betroffenem Pflegedienst. „Was glauben Sie denn, wie viel Umsatz so ein Pflegedienst jährlich macht?“, fragt er.

Vorwurf: Rufmord

Meißner hält Büges pauschale Aussagen nicht nur für unseriös, sondern für glatten Rufmord. Er selbst betreibt eine Pflegefirma und wird seit den Vorwürfen des Sozialstaatssekretärs, die nun noch einmal durch die Medien wandern, wiederholt auf das heikle Thema angesprochen. „Die Patienten sind verunsichert“, sagt er. Pflege sei eine schwere Arbeit, deren Grundlage das Vertrauen der Patienten ist. „Wir überlegen, ob wir uns neben den Presseerklärungen auch noch rechtlich zur Wehr setzen werden“, sagt er.

Schließlich macht Meißner auch noch auf den folgenreichen Unterton der Vorwürfe aufmerksam: Büge unterstellt vor allem Pflegedienstbetreibern mit russischem Migrationshintergrund Betrug. Die Schlussfolgerung des Textes in der FAS jedenfalls, dass für die Gründung eines Pflegedienstes Qualifikationsvoraussetzungen eingeführt werden müssten, sei ebenfalls falsch recherchiert und reine Brandstiftung. Die seien nämlich längst gesetzlich vorgegeben.

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