Petition der Woche: „Bild“-Populismus zum Mitmachen
Die Zeit, in der die „Bild“ Refugees-Welcome-Sticker verteilte, ist vorbei. Nun wird für mehr Abschiebungen mobilisiert – auch per Petition.
Es muss endlich mehr Abschiebungen geben! Unter diesem Motto startete die Bild-Redaktion vergangene Woche eine Petition. Genau genommen soll es um mehr Abschiebungen krimineller Ausreisepflichtiger gehen. Auf einer ganzen Seite, inklusive einem Ranking mit der Überschrift „Welche Bundesländer schieben am besten ab?“, widmete sich das Blatt dem „Abschiebe-Versagen“. Jetzt soll eine Bild-Petition „Druck machen“.
Über die Hintergründe der Petition will niemand von der Bild sprechen, eine Anfrage bleibt unbeantwortet. Dass sich die Zeitung gern in Populismus statt Journalismus verirrt, ist jedenfalls keine Neuigkeit. Seit vielen Jahren ist ihr dabei der Bildblog auf den Fersen. „Nach den Pleitegriechen von 2015 versucht die Zeitung mal wieder Politik zu machen, anstatt über sie zu berichten“, kritisiert Bildblog-Macher Moritz Tschermak.
Nur ein Klick auf den Bild-Aufruf, und es öffnet sich ein Mail-Entwurf, adressiert an die Kanzlerin, die „die Abschiebung von ausreisepflichtigen Kriminellen jetzt zur Chefsache“ machen soll. Ihren Lesern verspricht die Redaktion: „Bild wird die Botschaft im Kanzleramt überreichen!“. 12.000 Personen meldeten sich innerhalb eines Tages bei dem Blatt. „Nicht gerade beeindruckend, wenn man bedenkt, dass täglich mehrere Millionen Menschen Bild.de besuchen“, findet Tschermak.
Ausgewählte Einsendungen stellte die Redaktion ins Netz. Angefangen bei einem Maurer, der „nicht noch dafür zahlen“ will, dass sich kriminelle Flüchtlinge in Deutschland aufhalten. Ein Ehepaar fordert gar die „sofortige Abschiebung auch bei kleinsten Vergehen“. Auch Politiker pflichten der Bild-Kampagne bei.
Rainer Wendt kommentiert
Prominent fordern Nochinnenminister Thomas de Maizière und Ministerpräsidentin Manuela Schwesig einen härteren Kurs. Ein unterstützender Kommentar von Rainer Wendt, dem umstrittenen Vorsitzenden der Deutschen Polizeigewerkschaft, darf da natürlich auch nicht fehlen.
Anlass der Petition: Die Bild findet, dass es zu viele kriminelle Ausreisepflichtige gibt.
Das wollen die Initiatoren: „Druck machen“.
Das wollen sie eigentlich: Den Sinkflug der Auflage stoppen und Stimmung machen.
Die Zeit, in der die Bild Refugees-Welcome-Sticker verteilt, ist vorbei. Karl Kopp von ProAsyl bereitet dieser Wandel „zurück zur Stimmungsmache“ Sorgen. Das Blatt hat sich gewendet, wie auch der Kommentar von Bild-Politikchef Nikolaus Blome zeigt. „Jetzt ist der Staat am Zug. Als Erste abgeschoben gehören jene, die zur Ausreise verpflichtet sind und Straftaten begangen haben.“ Die Betonung liegt auf „Als Erste“.
Dieser Text stammt aus der taz.am wochenende. Immer ab Samstag am Kiosk, im eKiosk oder gleich im praktischen Wochenendabo. Und rund um die Uhr bei Facebook und Twitter.
Für den Anfang hat ein fünfköpfiges Redaktionsteam Forderungen an die Kanzlerin verfasst. Unter ihnen Franz Solms-Laubach, der mit „Das Ende der Sicherheit – warum die Polizei uns nicht mehr schützen kann“ ein weiteres Empörungswerk auf den Buchmarkt warf. Gemeinsam fordern sie: Abschiebungen müssen Bundessache werden. Es braucht mehr Abschiebeknäste, und diejenigen Länder, die keine Flüchtlinge zurücknehmen, sollen mit gekürzter Entwicklungshilfe bestraft werden. Zuerst braucht es laut Bild aber eine Statistik, die kriminelle Ausreisepflichtige erfasst. Wie viele es davon gibt, ist Spekulation.
„Mal wieder konstruiert die Bild-Zeitung ein Vollzugsdefizit, das so nicht existiert“, kritisiert Kopp. Anscheinend gibt es keinen Grund, nicht trotzdem vor der vermeintlich großen Gefahr zu warnen. Mit dem Erfolg der AfD, die diese Woche erstmals im Bundestag Platz nahm, hat das natürlich nichts zu tun.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nahost-Konflikt
Alternative Narrative
Nach der Gewalt in Amsterdam
Eine Stadt in Aufruhr
IStGH erlässt Haftbefehl gegen Netanjahu
Wanted wegen mutmaßlicher Kriegsverbrechen
+++ Nachrichten im Nahost-Krieg +++
IStGH erlässt Haftbefehl gegen Netanjahu und Hamas-Anführer
Jeder fünfte Schüler psychisch belastet
Wo bleibt der Krisengipfel?
Gespräche in Israel über Waffenruhe
Größere Chance auf Annexion als auf Frieden