Petition der Woche: Ein Nicht-Kuss und seine Folgen
In der Neuverfilmung von „Die Schöne und das Biest“ taucht der erste schwule Disney-Charakter auf. Konservative fordern: Boykott!
Zwei Sekunden tanzt LeFou mit einem Mann – und es scheint ihm zu gefallen. Zuvor gibt es immer wieder Gespräche, Blicke, Andeutungen, die nahelegen, dass zwischen ihm und Gaston mehr sein könnte als nur Freundschaft. Die Beziehung der beiden Nebenfiguren in der Disney-Neuverfilmung von „Die Schöne und das Biest“ ist schon vor Kinostart zum großen Aufregerthema geworden. Und die Beziehung zwischen der Schönen und dem Biest? Anscheinend interessiert sich keiner mehr dafür. Es geht fast ausschließlich um den ersten schwulen Charakter in einem Disney-Film.
Im Zeichentrick schlägt Gaston LeFou immer wieder, zerquetscht ihn einmal sogar unter seinem Sofa, während er für ihn singt. Bislang kam jedoch kaum jemand auf die Idee, dass da auch eine erotische Komponente mitschwingen könnte, wenn LeFou Gaston mal in die Wange kneift. Doch in der Neuverfilmung, die seit dem 16. März in Deutschland im Kino läuft, gibt es eben diese eine Szene. So harmlos, dass man sie ohne die vorherige Berichterstattung durchaus übersehen hätte.
„LeFou will einmal wie Gaston sein und ihn an einem anderen Tag küssen. Er weiß nicht, was er will, er bemerkt diese Gefühle gerade erst“, erklärte Filmregisseur Bill Condon, der selbst schwul ist, dem Magazin Attitude. „Ein schöner, exklusiver, schwuler Moment“ sei die Szene.
Der Aufschrei ist groß. Unter dem Hashtag #BoycottDisney gibt es seit dem Filmstart in den USA eine heftige Kontroverse über den vermeintlich schwulen Moment. In Russland und Malaysia wurde der Film wegen der Szene für Menschen unter 16 Jahren verboten. Laut Guardian ist die Filmaufführung in einem Kino im US-Bundesstaat Alabama deshalb ausgefallen.
Böse böse LGBT-Agenda
Der US-amerikanische evangelikale Pastor und Missionar Franklin Graham warnt auf seiner Facebook-Seite: „Disney versucht, die LGBT-Agenda in die Herzen und Köpfe Ihrer Kinder zu stoßen.“ Er hoffe, dass Christen weltweit Nein zu Disney sagen würden.
Ähnliches fordert eine Petition, die vor zwei Wochen gestartet wurde: „Sign the boycott: Tell Disney ‚No‘ to LGBT agenda in Beauty and the Beast“, heißt es da. Bislang haben über 135.000 unterschrieben. Laut Petition seien Kinderfilme kein Ort für die Werbung für eine „bösartige sexuelle politische Agenda“, die den tiefen Glauben unzähliger Eltern und Familien beleidigen würde. Sie möchten deswegen sowohl den Film „Die Schöne und das Biest“ als auch alle anderen Disney-Filme und -Produkte boykottieren, „bis Disney sich verpflichtet, die Unschuld unserer Kinder zu unterstützen und nicht zu verletzen“.
Hinter der Petition steckt LifeSiteNews, ein Non-Profit-Service, der 1997 von der politischen Organisation „The Campaign Life Coalition“ gegründet wurde. Die Mitglieder, die in vielen Ländern tätig sind, beschäftigen sich vor allem mit traditionellen Familienwerten, setzen sich gegen Abtreibung und gleichgeschlechtliche Ehen ein.
Lisa Bourne, eine Journalistin, die für LifeSiteNews schreibt, stellt sich als „katholische Ehefrau, Mutter und Journalistin“ vor. Eine bemerkenswerte Reihenfolge. Noch dazu schreibt sie, dass sie dankbar sei für die Chance, Leben und Seelen zu retten. Sie beschäftigt sich vor allem mit dieser Petition und berichtet stets von allen möglichen Unterstützerinnen und Unterstützern. Etwa von einer besorgten Bloggerin, die die Petition ebenfalls teilte. Diese schrieb, dass sie, obwohl sie eine disneybegeisterte Tochter habe, nicht in den Film gehen werde. Auch ihren Urlaub in Disneyland habe sie abgesagt. So weit, so irre.
Disney selbst scheint die Protestwelle von Konservativen nicht zu stören. Der Konzern weigerte sich, die besagte Szene aus dem Film zu schneiden. Die Aufregung um Gaston und LeFou wird sich wohl auch kaum negativ auf die Besucherzahlen auswirken.
Insofern ist es nicht völlig abwegig, dass schon bald auch ein lesbischer Charakter in einem Disney-Film auftaucht. Königin Elsa aus dem Erfolgsfilm „Frozen“ wäre so eine Kandidatin. Seit knapp einem Jahr fordern Fans, dass sie in der Fortsetzung, die 2018 in die Kinos kommen soll, lesbisch wird. Vielleicht erhört Disney sie.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Hoffnung und Klimakrise
Was wir meinen, wenn wir Hoffnung sagen
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Slowakischer Regierungschef bei Putin im Kreml
Rechte Gewalt in Görlitz
Mutmaßliche Neonazis greifen linke Aktivist*innen an
Künstler Mike Spike Froidl über Punk
„Das Ziellose, das ist doch Punk“
Abschiebung erstmal verhindert
Pflegeheim muss doch nicht schließen
Lohneinbußen für Volkswagen-Manager
Der Witz des VW-Vorstands