piwik no script img

Petersberger KlimadialogNebenbei auch Menschenrechte

Die Situation politischer Gefangener in Ägypten war dem Treffen mit dem ägyptischen Präsidenten beim Petersberger Klimadialog nur am Rande Thema.

Sana Seif bei dem Protest gegen den Besuch von Al-Sisi in Berlin Foto: Florian Boillot

taz | Sanaa Seif hatte mehr erwartet. Die Aktivistin – seit der Revolution am Tahrirplatz politisch aktiv und seitdem dreimal in ihrer Heimat im Gefängnis – reist seit Wochen durch die Hauptstädte des Westens und wirbt dort für ihre Sache: Der internationale Druck auf das Regime in Kairo müsse steigen. Es geht ihr um die Menschenrechtslage im Land im Allgemeinen, im Speziellen aber auch um das Schicksal ihres Bruders Alaa Abd el-Fattah. Der Blogger, aktuell im Hungerstreik, ist einer der prominentesten politischen Gefangenen des Landes.

Beim Petersberger Klimadialog war all das am Montag und Dienstag eher am Rande Thema. Als Gastgeberin der nächsten Weltklimakonferenz im November war die ägyptische Regierung auch Co-Gastgeberin der Veranstaltung. Präsident Abdel Fattah al-Sisi nahm teil, wurde von Olaf Scholz (SPD) auch im Kanzleramt empfangen. „Die deutsche Regierung hätte Fortschritte in der Menschenrechtspolitik von vornherein zur Bedingung für die Teilnahme machen können“, sagt Seif, die am Rande des Klimadialogs ebenfalls nach Berlin gereist war, am Dienstagmittag. „Zumindest aber hätte die Bundesregierung das Thema während des Besuchs deutlicher ansprechen können.“

Zur Sprache kamen die Menschenrechte während der Veranstaltung in erster Linie im Hintergrund. Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) berichtete davon am Nachmittag, als sie zum Ende des Klimadialogs an einem Panel mit Ver­tre­te­r*in­nen der Zivilgesellschaft teilnahm: Während eines bilateralen Ge­sprächs mit al-Sisi habe sie „natürlich auch über Menschenrechte geredet.“ Übergeben habe sie dem ägyptischen Präsidenten eine Liste mit Namen politischer Gefangener, die zu Unrecht im Gefängnis säßen. Während Baer­bocks Eröffnungsrede am Montag und während einer Pressekonferenz mit ihrem ägyptischen Amtskollegen Samih Schukri am Dienstag war die Menschenrechtslage dagegen kein Thema.

Kanzler Scholz erwähnte die Situation in seiner eigenen Pressekonferenz mit al-Sisi nebenbei. „Was die Frage der Menschenrechte betrifft, so war sie ein Thema unseres Gesprächs. Der Präsident und ich, beide haben wir darüber berichtet“, sagte er. Deutschland stehe bereit, „die Chancen, Rechte und Freiheiten der Menschen in Ägypten zu fördern“. Gesprächiger war da al-Sisi selbst, der den soeben gestarteten „Nationalen Dialog“ in seinem Land anpries.

Einladung nach Ägypten

Im Rahmen einer Gesprächsreihe will das Regime Ver­tre­te­r*in­nen verschiedener politischer Strömungen an einen Tisch bringen und eine Debatte unter anderem über den wirtschaftspolitischen Kurs des Landes eröffnen. Die Initiative soll als Beleg für den liberalen Geist des ägyptischen Systems dienen. „Erlauben Sie mir, Sie und alle Leute, die sich für dieses Thema interessieren, einzuladen“, sagte al-Sisi im Kanzleramt an die Presse gerichtet. Man werde dann schon sehen, wie groß man in Ägypten die Menschenwürde schreibe.

„Der Nationale Dialog ist ein Witz, das weiß jeder“, sagt dagegen die Aktivistin Seif, die die Gesprächsreihe des Präsidenten als „White-Washing-PR“ bezeichnet – genauso wie die Gastgeberschaft der Klimakonferenz im November, die größte internationale Veranstaltung seit Bestehen des Regimes. Seifs Hoffnung: dass sich westliche Regierungen dort klarer zur Menschenrechtslage äußern werden – ebenso wie teilnehmende Kli­ma­ak­ti­vis­t*in­nen aus dem Ausland. „Wir werden keinen Zugang zum Gipfel haben, sie schon. Wenn sie nicht Teil von al-Sisis Propaganda werden wollen, müssen sie sich äußern.“

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!