Petersberger Klimadialog: Kohleausstieg in Slow Motion
In Berlin fordern viele Staaten einen „gerechten Übergang“ zu einer Wirtschaft ohne Kohle, Öl und Gas. Deutschland blamiert sich beim Klimaziel.
Der „Petersberger Klimadialog“ war bislang eine Veranstaltung, auf der sich Deutschland als Vorreiter im internationalen Klimaschutz präsentierte: Im vorigen Jahr stellte es als G20-Gastgeber gemeinsam mit der OECD ein Gutachten zu grünen Jobs und Wachstum im Klimaschutz vor. 2014 verkündete Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), Deutschland werde seine Hilfen für internationale Klimaprogramme bis 2020 auf vier Milliarden Euro jährlich verdoppeln. Eine Zusage, die sie jetzt bekräftigte. Doch dieses Jahr war öffentliche Zerknirschung angesagt.
Weil offiziell klar ist, dass Deutschland statt seines Klimaziels von minus 40 Prozent bis 2020 nur höchstens 32 Prozent erreicht, nannte Umweltministerin Svenja Schulze (SPD) diese Bilanz gleich zu Beginn des Treffens „bitter“. Man dürfe „das Vertrauen nicht verspielen“.
Auch Kanzlerin Merkel gestand in ihrer Rede vor den Umwelt- und Klimaministern aus aller Welt, der Strukturwandel sei „keine einfache Sache“. Neben der Kohle sei vor allem der Verkehr „ein Sorgenkind“, die Sanierung der Gebäude nicht weit genug, und auch bei der Landwirtschaft erwarte sie große Widerstände.
Umweltverbände und Opposition gehen Merkels Äußerungen nicht weit genug. Sie forderten konkrete Zusagen etwa für einen Kohleausstieg. Der polnische Premierminister Mateusz Morawiecki warnte zwar, man suche die „goldene Mitte“ zwischen Umwelt und Wirtschaft, betonte aber als Gastgeber der Klimakonferenz COP24 auch die Bedeutung von Klimaschutz und der Verantwortung für die Zukunft. Kattowitz als ehemalige Stadt von Kohle und Stahl sei ein Beispiel für einen gelungenen „gerechten Übergang“.
Das Konzept des „gerechten Übergangs“ soll auf der COP24 eine große Rolle spielen. Gleichzeitig müssen die Staaten noch dringend klären, wo ab 2020 die jährlich 100 Milliarden Dollar für die Entwicklungsländer herkommen sollen. Immer noch umstritten sind auch Detailregeln, wie die Staaten ihre Klimapläne vergleichbar machen sollen. Weil die Regeln so strittig sind, haben die 196 UN-Staaten, die der Klimakonvention beigetreten sind, im Herbst extra eine Sondersitzung in Bangkok angesetzt. Dort gehen die Beratungen vom Petersberger Dialog weiter.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Kinderbetreuung in der DDR
„Alle haben funktioniert“
Hybride Kriegsführung
Angriff auf die Lebensadern
BSW in Koalitionen
Bald an der Macht – aber mit Risiko
Dieter Bohlen als CDU-Berater
Cheri, Cheri Friedrich
Niederlage für Baschar al-Assad
Zusammenbruch in Aleppo
Selbstzerstörung der FDP
Die Luft wird jetzt auch für Lindner dünn