Pestizide in Lebensmitteln: Edekas Giftliste mit Ökosiegel
Auf einer Pestizidliste empfiehlt der Lebensmittelhändler seinen Obst- und Gemüselieferanten auch Gifte, die krebserregend sind. Geprüft hat das Öko-Institut.
Umweltschützer glaubten an einen Sieg: Deutschlands größter Lebensmittelhändler teilte seinen rund 1.000 Obst- und Gemüseproduzenten mit, welche von 580 üblichen Pestiziden "unbedenklich", "kritisch" oder "besonders kritisch" seien. Die Bauern müssten künftig vor allem auf die Letzteren verzichten. Doch bald stellte sich heraus: Als "unbedenklich" stufte Edeka auf Rat des Freiburger Öko-Instituts hin auch Stoffe ein, die nachweislich besonders gefährlich sind. Für Gegner von eigenen Grenzwerten und Pestizidlisten des Handels war das eine Steilvorlage.
Nur ein Drittel der 145 als "unbedenklich" eingestuften Stoffe sind in Deutschland überhaupt zugelassen, wie das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) feststellte. "Deshalb sollten die auch nicht indirekt empfohlen werden", sagt Behördensprecher Jürgen Kundke. Zwar kauft Edeka Ware auch im Ausland, aber die Aufstellung der angeblich harmlosen Stoffe ging auch an Bauern in Deutschland.
Besonders übel stößt Kundke das bei mindestens "drei bis fünf" Chemikalien auf. Die Unkrautbekämpfungsmittel Triclopyr und Flurochloridon zum Beispiel könnten Fehlbildungen beim ungeborenen Kind hervorrufen. Triflumizol und Benthiavalicarb würden als krebserregend gelten. "Wir haben die Liste nur stichprobenartig geprüft", erklärt der BfR-Sprecher. "Vermutlich hätten wir noch mehr gefunden, wenn wir systematisch gesucht hätten."
Die Giftliste ist aber auch in sich widersprüchlich: Der Behörde zufolge wird etwa der verbotene Stoff Haloxyfop-R als "unbedenklich", der gleiche Stoff unter dem Namen Haloxyfop-P aber auch als "besonders kritisch" bewertet. Ähnlich sei der Fall bei dem Insektenkiller Cypermethrin. Kundkes Fazit fällt deshalb wenig schmeichelhaft aus: "Das Öko-Institut hat sich da wirklich nicht mit Ruhm bekleckert. Die Sachen sind nicht sauber."
Joachim Lohse, Geschäftsführer des Instituts, hält die Kritik für überzogen. Zwar räumt er ein, dass seine Leute für die Liste nur in allgemein zugänglichen Datenbankeinträgen ab 1992 recherchiert hätten. Dort habe es keine Hinweise auf die gefährlichen Eigenschaften der jetzt als risikoreich erkannten Stoffe gegeben. Eigene Tests hat das Öko-Institut nicht durchgeführt. Und manche Untersuchungen zu Pestiziden lägen nur den Behörden vor. Unter diesen Umständen, meint Lohse, hätten seine Experten gründlich genug recherchiert. Einen Fehler gibt er allerdings zu: Die Gefahrenkategorien seien "nicht glücklich überschrieben". Statt "unbedenklich" hätte es zum Beispiel heißen müssen: "Stoffe, die aufgrund der Recherche nicht als besonders kritisch aufgefallen sind".
Chemikalien, die gleich in mehreren Kategorien auftauchen, hat das Öko-Institut eigenen Angaben zufolge auch bei einer nachträglichen Überprüfung nicht gefunden. Dennoch scheint Lohse das Werk für verbesserungswürdig zu halten: Seine Experten seien gerade dabei, die Liste zu überarbeiten. Das ist auch das Einzige, womit sich eine Edeka-Sprecherin zu dem Thema zitieren lassen will.
Aber auch eine überarbeitete Fassung der Pestizid-Liste hält BfR-Sprecher Jürgen Kundke nicht für besser: "Die Behörden machen ihren Job. Da braucht man keine privaten Zusatzlisten." Nach Meinung von Umweltschützern gehen die Behörden aber zu lasch gegen den Gifteinsatz auf dem Acker vor. "Sie müssten auch bei Verdacht früher riskante Stoffe verbieten", sagt Carina Weber, Geschäftsführerin des Pestizid-Aktionsnetzwerk (PAN) in Deutschland.
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