Pestizid Chlorpyrifos in der EU: Skandalöses Zulassungssystem
Der Fall des Insektenkillers Chlorpyrifos zeigt, wie schlecht die EU Mensch und Umwelt schützt. Immer wieder werden gefährliche Gifte genehmigt.
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D as Zulassungsverfahren für Pestizide in der Europäischen Union schützt die Bevölkerung nur mangelhaft vor Risiken durch Ackergifte. Das zeigt aktuell der Skandal um die Genehmigung des Insektenkillers Chlorpyrifos, über den die taz am Wochenende berichtet hat.
Die EU-Staaten und die EU-Kommission haben den Wirkstoff 2005 zugelassen, obwohl schon damals Hinweise auf Gesundheitsrisiken vorlagen. Bereits 1998 hatte ein Tierversuch gezeigt, dass die Kleinhirne von Ratten kleiner waren, wenn ihre Eltern Chlorpyrifos gefressen hatten. Die spanischen Behörden, die die Substanz im Auftrag der EU überprüften, ignorierten dieses Ergebnis einfach. Wahrscheinlich, weil es nicht in der Zusammenfassung der Studie, sondern in den Rohdaten stand.
Wie bei Zulassungsverfahren üblich hatte der Pestizidhersteller die Studie selbst in Auftrag gegeben – und auch selbst zusammengefasst. Herausgekommen ist dieses Verschweigen beunruhigender Ergebnisse überhaupt nur, weil 2018 Forscher einer schwedischen Universität die Daten analysiert und dann Alarm geschlagen haben. Deshalb musste nun auch die EU-Behörde für Lebensmittelsicherheit feststellen, dass der Stoff nicht zugelassen sein dürfte.
Und als ob das nicht schon skandalös genug wäre, verlängerte die EU die Zulassung dreimal, ohne die Risiken erneut zu prüfen. Dabei belegten nun Studien sogar kognitive Defizite sowie Verhaltensdefizite bei Kindern, die im Mutterleib der betroffenen Pestizidgruppe ausgesetzt wurden. Leider ermöglicht das Zulassungsrecht „blinde“ Genehmigungen, wenn die Behörden nicht über einen Verlängerungsantrag entscheiden, bevor die alte Erlaubnis ausläuft.
Das Mindeste sollte sein, dass Staaten wie Deutschland nun den Vorschlag der EU-Kommission unterstützen, Chlorpyrifos zu verbieten. Die EU muss aber auch das Zulassungssystem reformieren. Künftig sollte der Staat die Studien beauftragen. Das Geld dafür müssten die Hersteller in einen Fonds einzahlen. Einen zweiten Fall Chlorpyrifos darf es nicht geben.
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