Perus Präsident abgesetzt und verhaftet: Peru bleibt in der Dauerkrise
Präsident Pedro Castillo wollte seiner Absetzung durch die Auflösung des Parlamentes zuvorkommen. Das ging schief. Jetzt sitzt er in Haft.
Doch Pedro Castillo kam dem zuvor: um 12 Uhr verkündete er in einer Fernsehansprache, dass er den Kongress auflösen die nächsten Monate per Notstandsdekreten regieren würde. Die Ankündigung rief böse Erinnerungen wach: 30 Jahre zuvor, am 5. April 1992, hatte der damalige Präsident Alberto Fujimori schon einmal einen sogenannten Auto-Golpe durchgeführt, einen Selbstputsch, und das Parlament und Hohe Gerichte schließen lassen. Die Armee stand ihm damals mit Gewehren und Panzern zur Seite.
Doch Castillo blieb am Mittwoch allein. Zuerst trat ein Minister nach dem anderen zurück; nach einer guten Stunde war dann auch klar, dass Polizei und Militär Castillo nicht unterstützen würden. Der Kongress zog seine Abstimmung auf 13.30 Uhr vor und setzte Pedro Castillo mit 101 gegen 6 Stimmen bei 10 Enthaltungen ab. Keine zwei Stunden später ernannte das Parlament die bisherige Vizepräsidentin Dina Boluarte zur ersten Präsidentin Perus.
Damit endete der 17 Monate dauernde Machtkampf zwischen Castillo und dem Parlament zugunsten des Letzteren. Seit der Dorfschullehrer und linke Gewerkschafter Pedro Castillo im Juni 2021 die Wahl hauchdünn gewonnen hatte, machte ihm der Kongress das Regieren schwer.
Kaum jemand wird Castillo eine Träne nachweinen
Der politisch unerfahrene Castillo hatte nicht nur keinen Rückhalt im Parlament, er vergraulte auch politische Verbündete, verschliss Minister im Wochentakt und stand zuletzt unter dem Verdacht der Korruption und Vorteilsnahme.
Seine linken Vorhaben, sei es eine Steuerreform oder die Förderung der kleinbäuerlichen Landwirtschaft, wichen dem Gezerre um Posten und Stimmen im Kongress. 69 Prozent der Peruaner, so eine Umfrage vom November, waren unzufrieden mit ihrem Präsidenten.
Nicht viele werden Castillo also eine Träne nachweinen – wenn nicht die Abgeordneten noch unbeliebter wären. 86 Prozent der Befragten äußerten sich in derselben Umfrage ablehnend zum Kongress. In Peru gibt es praktisch keine politischen Parteien mehr. Abgeordnete gelten als politische Glücksritter, die bei erfolgter Wahl fünf Jahre lang mit einem guten Gehalt rechnen können und dazu noch ihre Stimmen und ihren Einfluss dem Meistbietenden verkaufen.
Mit der Einsetzung der bisherigen Vizepräsidentin Dina Boluarte ist die demokratische Ordnung einstweilen wieder hergestellt. Boluarte, eine 60-jährige Juristin und ehemalige Leiterin eines Einwohnermeldeamtes, war ein Jahr lang Sozialministerin in der Regierung Castillos. Sie verfügt über keinen eigenen politischen Rückhalt. In ihrer Antrittsrede distanzierte sie sich vom Putschversuch ihres Vorgängers, kündigte ein breit aufgestelltes Kabinett „aller Rassen“ an und dass sie bis 2026, dem Ende der Legislaturperiode, im Amt zu bleiben gedenke.
Doch viele Peruaner empfinden es als Hohn, dass sich die Parlamentarier nun als Retter der Demokratie feiern. Eine große Mehrheit, 87 Prozent der Befragten, möchte auch die Abgeordneten loswerden. „Que se vayan todos“, alle sollen gehen. Dazu müsste der Kongress Neuwahlen zustimmen. Eine direkte Wiederwahl ist in Peru nicht erlaubt. Schwer vorzustellen, dass sich die Parlamentarier ihre einträglichen Abgeordnetensitze absägen. Höchstens der Druck der Straße könnte den Kongress zum Aufgeben bringen.
Perus politische Krise dauert nun schon über vier Jahre, seit Pedro Pablo Kuczynski nach nicht mal zwei Jahren im Amt vom Parlament abgesetzt wurde. Seitdem hatte Peru vier Präsidenten, Castillo eingerechnet. Vier ehemalige Präsidenten Perus sind oder waren in Haft.
Dieses Schicksal wird nun auch Pedro Castillo, den Dorfschullehrer und Präsident aus dem einfachen Volk, ereilen. Auf dem Weg zur mexikanischen Botschaft, vermutlich um dort Asyl zu erbitten, wurde er von der Polizei festgenommen und erwartet nun eine Anklage wegen Rebellion gegen den Staat.
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