Perspektiven für den Forschernachwuchs: Wanka will Mentalitätswechsel
Bund und Länder gewähren Jungakademikern 1.000 Professuren und eine Milliarde Euro. Kritiker sagen, der Pakt ändere dennoch wenig.
Der Pakt soll einen Mentalitätswechsel an deutschen Hochschulen einleiten. Dort sind bisher 90 Prozent der WissenschaftlerInnen, die keine Professur innehaben, auf Basis befristeter Zeitverträge angestellt. Promovierte WissenschaftlerInnen, die eine Professur anstreben, sollen sich künftig auch als ProfessorInnen in spe auf sogenannte Tenure-Track-Stellen bewerben können. Nach mehreren Jahren wird die Probeprofessur evaluiert und – sofern alle vorab vereinbarten Ziele erreicht sind – auf Lebenszeit verbeamtet.
Der Bund finanziert die Tenure-Track-Stellen jährlich mit rund 100 Millionen Euro für zehn Jahre, die Länder sollen anschließend die Finanzierung der unbefristeten Professuren übernehmen.
„Das ist ein weiterer Baustein für gute Arbeit in der Wissenschaft“, lobt die SPD-Berichterstatterin im Bundestag, Simone Raatz, die Einigung. „Aber es muss danach weitergehen.“
Bund soll dauerhaft unbefristete Stellen finanzieren
Ihre Fraktion hatte einen solchen Nachwuchspakt vor einem Jahr angestoßen und ursprünglich neben 1.500 Juniorprofessuren auch Stellen für Daueraufgaben und zusätzliche unbefristete Stellen unterhalb der Professur gefordert. Von diesem Wunschpaket haben sich Bund und Länder nun lediglich auf 1.000 Tenure-Track-Stellen geeinigt. „Besser als nichts“, meint Raatz dennoch.
Heruntergebrochen auf die einzelne Hochschule kommen dort von den 1.000 neuen Stellen im Durchschnitt zwei bis drei an. Wie viele die jeweilige Hochschule tatsächlich für sich in Anspruch nehmen kann, soll über eine Ausschreibung entschieden werden, für die die Unis sich bewerben.
Vertreter von Mittelbauinitiativen sind skeptisch, ob der Pakt die derzeitige Befristungspraxis nachhaltig ändern wird. „Bei 160.000 wissenschaftlichen Mitarbeitern im Mittelbau sind 1.000 Stellen ein Tropfen auf den heißen Stein“, sagt Thomas Riemer, Sprecher der Mittelbauinitiative der Universität Leipzig. An der Grundsituation ändere sich nichts. Dafür brauche es ganz neue Personalstrukturen. „Nicht alle, die in der Wissenschaft arbeiten, wollen Professor werden. Gebraucht werden daher andere Stellenkategorien, auf denen die Menschen selbstständig und dauerhaft forschen können.“
Thomas Riemer, Mittelbauinitiative
Die Junge Akademie, eine Plattform von Nachwuchswissenschaftlern, lobt den Pakt. Gleichzeitig befürchten die WissenschaftlerInnen, dass aus aktuell unbefristeten Professuren einfach Tenure-Track-Stellen werden. „So würde der Pakt aber nicht zu zusätzlichen Professuren führen“, sagt Akademie-Mitglied Jule Specht. Die Junge Akademie hat daher einen weiteren Vorschlag, den sie am Wochenende veröffentlichen wird. Der Bund soll demnach dauerhaft unbefristete Stellen finanzieren.
„Wenn das Bundesforschungsministerium langfristige Perspektiven für NachwuchswissenschaftlerInnen fördern möchte“, so Specht, „dann könnte es auch langfristig Professuren selbst finanzieren“.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Bundestag bewilligt Rüstungsprojekte
Fürs Militär ist Kohle da
Stockender Absatz von E-Autos
Woran liegt es?
Kürzungen im Berliner Haushalt
Kultur vor dem Aus
Grüne über das Gezerre um Paragraf 218
„Absolut unüblich und respektlos“
BSW-Chefin im ZDF
Wagenknecht räumt Irrtum vor russischem Angriff ein
Erfolg gegen Eigenbedarfskündigungen
Gericht ebnet neue Wege für Mieter, sich zu wehren