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Personalmangel im ÖPNVZu wenig Leute für Verkehrswende

Dem öffentlichen Verkehr fehlen die Arbeitskräfte, klagt ein Branchenverband. Deshalb würden klimafreundliche Fortbewegungsmittel zu oft ausfallen.

Personalsuche bei den Verkehrsbetrieben in Wuppertal Foto: Jochen Tack/imago

Berlin taz | Auch der öffentliche Nahverkehr leidet unter Fachkräftemangel. Das blockiert sogar die klimafreundliche Verkehrswende, warnt der Verband deutscher Verkehrsunternehmen (VDV). Fast die Hälfte der Verkehrsbetriebe habe im vergangenen Jahr den Betrieb zeitweilig einschränken müssen, weil Mit­ar­bei­te­r*in­nen fehlten.

Laut einer Branchen-Umfrage des VDV mangelt es primär an Fahrpersonal. Demnach arbeiten derzeit rund 100.000 Bus­fah­re­r*in­nen im Fahrdienst. Jährlich gingen davon aber bis zu 6.000 in Rente. Wenn im Sinne des Klimaschutzes mehr Menschen auf den ÖPNV umsteigen sollen, ist aber mit steigendem Bedarf zu rechnen – der Personalmangel dürfte sich entsprechend verschärfen. Gesucht werden auch In­ge­nieu­r*in­nen, IT-Spezialist*innen und Fachkräfte in der Technik.

Der Lobbyverband Allianz Pro Schiene fordert daher eine „Personaloffensive“ und will Werbung machen: Die Branche böte sichere und fair bezahlte Jobs.

Die Gewerkschaft Verdi sieht das anders: Ein Grund für den Personalmangel seien vergleichsweise unattraktive Arbeitsbedingungen. Vielerorts ließen sich Jobs finden, die bei gleichem Gehalt weniger belasten und sicherere Bedingungenen wie auch kürzere Arbeitszeiten böten.

Gute Gehälter im Büro, schlechtere in Bus und Bahn

Zwar bestätigen drei Viertel der Unternehmen in der Umfrage steigende Bewerber*innenzahlen. Um dem Fachkräftemangel zu begegnen müsse sich die Branche selbst insgesamt aber besser reflektieren, meint der Verkehrsforscher Andreas Knie vom Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung. Aktuell ließe es sich vor allem in den Büroetagen der Verkehrsverbände gut verdienen, während etwa die Fah­re­r*in­nen zu kurz kämen.

Aktuell verdienen Bus­fah­re­r*in­nen in Deutschland durchschnittlich 34.000 Euro brutto pro Jahr. Dabei gibt es auch ein Gender Pay Gap: Das Einstiegsgehalt für Frauen liegt aktuell bei 31.300 Euro und damit 2.600 Euro unter dem ihrer männlichen Kollegen.

Auch regional gibt es Unterschiede: In Baden-Württemberg verdienen Bus­fah­re­r*in­nen monatlich 3.122 Euro brutto, in Sachsen gibt es fast 400 Euro weniger. Auszubildende erwartet im ersten Lehrjahr gerade mal zwischen 660 und 1.045 Euro monatlich.

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8 Kommentare

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  • Woher kommt denn der Gender Pay Gap beim Einstiegsgehalt? In den Tarifverträgen steht das garantiert nicht drin. Oder liegen die niedrigeren Durchschnittsgehälter schlicht an einem höheren Teilzeitanteil bei den Frauen?

    • @Budzylein:

      Ich vermute die Zahlen stimmen nicht. Nach der Berechnung müsste ja das Einstiegsgehalt von Männern 100 Euro unter dem Durchschnittseinkommen liegen.

      Deswegen würde ich mir als Links zu den Informationen wünschen welche Zahlen haben, irgendwelche Schriftstücke oder ähnliches auf die man sich bezieht. Man hat die Quellen ja eh schon, das ist sicherlich etwas Mehraufwand, würde aber die Qualität von journalismus deutlich erhöhen.

      • @Hitchhiker:

        Dass das Einstiegsgehalt für männliche Fahrer unter dem Durchschnittseinkommen liegt, ist nicht ungewöhnlich, denn es liegt in der Natur eines durchschnittlichen Einkommens, dass es in zahlreichen Berufen unterschritten wird. Bezüglich der Quellen stimme ich Ihnen zu.

        • @Budzylein:

          Nein natürlich ist es nicht ungewöhnlich, dass das Einstiegsgehalt unter dem durschnitt liegt, aber 100 Euro unter dem Durchschnitt würde mich zumindest mal stutzig machen, ob das wirklich sein kann.

          • @Hitchhiker:

            Das Durchschnittsbruttoeinkommen Vollzeitbeschäftigter lag 2021 bei ca. 4.100 Euro, das Durchschnittsbruttoeinkommen aller Beschäftigter (in Teilzeit oder geringfügig Beschäftigte mitgerechnet)im Jahre 2022 bei ca. 3.333 Euro (laut Statista: de.statista.com/th...schnittseinkommen/ ). 100 Euro sind nicht einmal 3 % davon, also eine eher geringe Abweichung.

  • Ein innovativer Ansatz zu einer möglichen Teil-Lösung stand schon in der taz:



    taz.de/Zukunft-des-OePNV/!5955081/

  • taz: *Dem öffentlichen Verkehr fehlen die Arbeitskräfte, klagt ein Branchenverband. Deshalb würden klimafreundliche Fortbewegungsmittel zu oft ausfallen. [...] Die Branche böte sichere und fair bezahlte Jobs. [...] Die Gewerkschaft Verdi sieht das anders: Ein Grund für den Personalmangel seien vergleichsweise unattraktive Arbeitsbedingungen.*

    Wie eigentlich schon überall; es wird schlecht bezahlt und schlimme Arbeitsbedingungen herrschen auch noch. So wird es natürlich nichts mit der Verkehrswende werden. Genug Geld ist ja bekanntlich auch nur für neue Straßen und Autobahnen da. Rund 30 Milliarden Euro sind bis 2030 für den Aus- und Neubau von Autobahnen vorgesehen. Übrigens war FDP-Bundesverkehrsminister Wissing ja auch schon gegen den Namen 'Klimaticket' für das 49 Euro 'Deutschlandticket'. Wahrscheinlich weil sich das Bahn/Bus-Ticket dann zu sehr nach Klimaschutz angehört hätte und man dann wirklich mal Klimaschutz in diesem Land machen müsste. Ob man tatsächlich eine Verkehrswende möchte, oder das alles nur wieder mit dem (angeblichen) Ausbau des ÖPNV eine "Augenwischerei" für die Bürger ist, wird sich ja in den nächsten Jahren zeigen.

  • Man kann es kaum noch hören. Personaloffensive, attraktiver Arbeitsplätze, mehr Gehalt.... für Lehrerinnen, Erzieherinnen, Juristen im öffentlichen Dienst, Ärztinnen, Facharbeiter Sanitär, Metall, Bau..., Ingenieurinnen, IT, Busfahrerinnen. Also überall. Und Gewerkschaften oder Arbeitgeber oder in dem Fall ProBahn Leute werfen sich die Bälle zu.



    Wir benötigen Zuwanderung. Die haben wir irgendwie auch. Bitte nun überlegen, wie wir die Leute in Arbeit kriegen. Das ist unser Job, das der schon hier Lebenden und der Entscheiderinnen, das können wir nicht delegieren. Plan muss her, und die Umsetzung. HerrGottaberauch.