piwik no script img

Personalmangel im KrankenhausJe­de*r Vierte will reduzieren

Die Pandemie hat Intensivpflegekräfte in Teilzeit und Berufswechsel getrieben. Eine aktuelle Umfrage zeigt: Die Unzufriedenheit hält an.

Eine Krankenschwester versorgt einen schwer an Corona erkrankten Patienten einer Intensivstation Foto: Boris Roessler/dpa

Für die Intensiv- und Notfallmedizin hatte die Coronazeit zwei Folgen: Deren Bedeutung wurde überdeutlich. Zugleich hat sich die Situation der Beschäftigten massiv verschlechtert. Viele Pflegekräfte haben dem Job den Rücken gekehrt oder die Arbeitszeit wegen Überlastung reduziert. Dass dieses Phänomen noch lange nicht beendet ist, zeigen die Ergebnisse einer am Mittwoch veröffentlichten Umfrage der Deutschen Gesellschaft für Internistische Intensivmedizin und Notfallmedizin (DGIIN).

1.369 Ärz­t*in­nen und Pflegekräfte hatte die Gesellschaft im November 2022 zu ihrer Arbeitssituation, zu den Auswirkungen der Coronapandemie und zu ihrem Blick auf die Zukunft befragt. Und obwohl die Situation auf den Intensivstationen sich nach der Pandemie längst beruhigt hat, bleiben die Ergebnisse erschreckend negativ: Je­de*r dritte Befragte ist unzufrieden im Beruf.

Ein Viertel plant in den kommenden 12 Monaten eine Reduktion der Arbeitszeit, weitere 20 Prozent denken darüber nach. Fast 30 Prozent wollen den Arbeitgeber wechseln, und je­de*r Zehnte will sogar ganz aus dem Beruf aussteigen. 86 Prozent der Befragten gab an, dass sich ihre Arbeitsbedingungen durch die Pandemie verschlechtert haben.

Diese Ergebnisse sind besonders dramatisch vor dem Hintergrund, dass sich durch demografische Entwicklung in den kommenden Jahren eine weitere Lücke auftut, die – da sind sich die Ex­per­t*in­nen einig – nicht zu schließen ist. Je­de*r dritte Beschäftigte ist über 50 Jahre alt. Aber nur je­de*r sechste unter 30. Christian Karagiannidis, Intensivmediziner und Präsident der DGIIN, geht davon aus, dass die Notfall- und Intensivmedizin in den nächsten Jahren noch einmal 20 bis 25 Prozent Personal verlieren wird.

Hoffen auf die Krankenhausreform

Um dieser Prognose und der aktuellen Lage etwas entgegenzusetzen, gibt es aus Sicht der Not­fall­me­di­zi­ne­r*in­nen und Pflegekräfte vor allem zwei Maßnahmen: Die Arbeitszufriedenheit steigern durch weniger Bürokratie und weniger Arbeitsausbeutung (im Dienstplan seien Überstunden oder Unterbesetzung oft schon eingeplant) sowie klare Kompetenzverteilung zwischen Me­di­zi­ne­r*in­nen und Pflegekräften. So sollten zum Beispiel besonders geschulte Pflegekräfte im Bereich Wundversorgung, Beatmung oder Mobilisierung eigenständiger und nicht nur auf ärztliche Anweisung handeln können.

Hoffnung setzen Beschäftigte außerdem in die geplante Krankenhausreform. Das immer weniger werdende Personal müsse effektiver eingesetzt werden, so Karagiannidis, der als Teil einer Ex­per­t*in­nen­kom­mis­si­on den der Reform zugrunde liegenden Vorschlag mit erarbeitet hat.

Die Krankenhäuser mussten zwar aus Personalnot bereits jetzt Behandlungen und betriebene Betten reduzieren – aber im europäischen Vergleich sei die Zahl der Pflegekräfte und Krankenhausbetten immer noch überdurchschnittlich. Die geplante Krankenhausfinanzierungsreform sieht eine stärkere Zentralisierung vor allem komplexer Krankenhausleistungen vor. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) will sie noch in diesem Jahr gesetzlich umsetzen.

Laut der aktuellen Umfrage glauben immerhin noch 75 Prozent der Befragten daran, dass Verbesserungen im Gesundheitssystem möglich sind.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

3 Kommentare

 / 
Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

Wir machen Silvesterpause und schließen ab Montag die Kommentarfunktion für ein paar Tage.
  • Wollen Sie einen Rat bekommen?

    Deutschland koennte mehr Studiumplatze in Arzt-Universitaeten vorbereiten - fur Studenten aus Ausland und fur Fluchtlinge. Es gibt viele kluge Leute in Ausland, die wollten als Arzte in Deutschland studieren, aber sie haben keine Moglichkeiten es "als Student" machen. Ich meine - fur en StudentVisum soll man ungefahr 10 Tausend Euro per Jahr in Bank-Konto haben. Aber Leute aus Ausland haben nicht so viel Geld.

    So, ich denke - wenn Deutschland kann fur Fluchtlinge Sprachkursen und Integrationskursen bezahlen - warum kann man nicht mehr "Studium-Moglichkeiten" fur sie geben?

    Ich bin meiner Meinung, dass das ist ganz normal - einbisschen Geld zu spenden und neue Arzte zu lernen.

    • @A--:

      Für Deutsche die kein 1,0 Abitur haben ist es auch nahezu unmöglich einen Medizin Studienplatz zu bekommen. Es mangelt nicht an Studienplätzen sondern zwei Dinge sorgen für Mangel:



      1. viele Ärzte verlassen aufgrund der extrem hohen Gehälter in CH oder USA das Land und verdienen dort das dreifache.



      2. Überalterung der Bevölkerung. Immer mehr Ärzte gehen in Rente während die Bevölkerung selbst immer mehr Ärtzte braucht weil kranker/Älter. Das ist ein Effekt der mit dem Tod der Babyboomer in 20 Jahren wieder vorbei ist.

      Wir brauchen nicht mehr Studenten die dann ins Ausland gehen, sondern Krankenpfleger und je nach Fachbereich auch Ärzte.

  • Immer ältere und damit kränkere Bevölkerung, immer mehr scheiden aus dem Beruf aus und der Mangel an jeglichen Arbeitskräften ist extrem. Letztens wurden hier sogar Auto-Vorwäscher per Postwurf Sendung gesucht, mit Vermittlungsprovision.



    Gleichzeitig kann sich weder das Gesundheitssystem (das zu den teuersten der Welt zählt) noch die Pflege große Lohnerhöhungen leisten weil das weiter zundramtischen Kostensteigerungen führen würde. Für Zuwanderung ist Deutschland aufgrund der deutschen Sprache und der sehr sehr hohen Abgaben auf Einkommen auch nicht wirklich attraktiv.



    Tödliches Gemisch das bald explodieren wird. Ich wüsste als Regierung nicht was da zu machen ist - außer Leistungen massiv zusammen zu streichen.