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Personalkarussell in RusslandDer große Unbekannte

General Alexei Djumin wird zum Gouverneur von Tula ernannt – ein Vertrauter Putins. Wird ein Nachfolger für den Kremlchef aufgebaut?

Der neue Gouverneur von Tula, Alexei Djumin (l.), und Präsident Wladimir Putin. Foto: ap

Moskau taz | Sollte er es schon sein? Wladimir Putins Nachfolger im Kreml? Oder doch noch nicht? Russland rätselt seit einigen Tagen über einen Mann, den das Land bisher nicht kannte. „Wer sind Sie, General Djumin“, fragt diese Woche die russische Zeitschrift The New Times.

Kremlchef Wladimir Putin hatte den 43jährigen General in der vergangenen Woche zum Gouverneur im Gebiet Tula ernannt. Bis zu den Wahlen im September soll er das Amt geschäftsführend übernehmen. Die Ernennung war eine Überraschung und sieht zunächst nach einem Karriereeinbruch aus. Tula ist seit alters her die Stadt russischer Büchsenmacher. Obwohl eine Waffenschmiede schwächelt die Region 200 Kilometer südlich von Moskau.

Alexei Djumin durchlebt bewegende Zeiten. Denn erst Ende Dezember war der Sicherheitsexperte zum Vize-Verteidigungsminister ernannt worden. Auch das kam für ihn unerwartet, wie er der Zeitung Kommersant gestand. Wird hier ein Thronprätendent aufgebaut, der sich in der schwierigen Provinz Sporen verdienen soll? Der noch darauf hingeführt werden muss, was es heißt, Kremlchef zu sein und trotzdem lecke Leitungen flicken zu müssen?

Das Land rätselt ähnlich wie im August 1999. Damals betrat Wladimir Putin die Bühne und Moskau fragte ungläubig: „Wer sind Sie, Herr Putin?“

Steile Wende

Der jetzige Auftritt gleicht einer Inszenierung. Diese Woche widmete der Kommersant dem neuen Gouverneur ein anderthalbseitiges Interview mit dem Titel „Nicht erst einmal hat das Leben eine steile Wende genommen“. Ein Djumin-Zitat. Die Fragen stellt Starjournalist Andrej Kolesnikow, der im Auftrag des Kommersant schon mit Wladimir Putin das erste lange Interview führte. Es erschien damals auch als Buch - „Aus erster Hand“. Seither ist Kolesnikow Hofchronist des Kremlchefs.

Gouverneuren wird selten so viel Platz in der Zeitung eingeräumt. Zumal das künftige Lehen in dem langen Gespräch nur en passant Erwähnung findet.

Tatsächlich geht es um Alexej Djumins Weg an der Seite Wladimir Putins. Als dieser am 9. August 1999 das Amt des Ministerpräsidenten antrat, war auch Djumin bereits zur Stelle. Er war vom ersten Tag an für Putins Sicherheit zuständig, in Moskau und wo immer der Präsident sich später aufhielt.

Dennoch blieb er in Russland ein Unbekannter. Djumin agierte im Hintergrund, er war der Mann für besondere Aufgaben. Nach dem Studium der Radioelektronik in Woronesch ging er bereits 1995 zum Föderalen Überwachungsdienst, der für die Sicherheit der Staatsführung verantwortlich ist.

Putins Adjutant

Kolportiert wird, dass Putin ihn 2008 zu seinem Adjutanten machte. Der Präsident schob gerade eine Amtszeit als Regierungschef ein. Djumin bestreitet dies, nie sei er Adjutant Putins gewesen, sagte er auch dem Kommersant. 2012 stieg er zum Vizechef des präsidialen Sicherheitsdienstes auf. Zwei Jahre später bekleidete er schon den Posten des stellvertretenden Leiters des militärischen Geheimdienstes GRU. Im letzten Jahr übernahm er noch die Funktion des Stabschefs der Landstreitkräfte.

Wo Putin ist, ist auch Generalleutnant Djumin. Er beschützt den Präsidenten in allen Lebenslagen. „Umklammert gar dessen Rumpf“, wenn der Kremlchef zu kühn würde, berichtet die Komsomolskaja Prawda. Auf stürmischer See vor Kamtschatka versuchte Putin vom Schlauchboot aus mit Armbrust und Pfeil bewehrt einen 15-Meter-Grauwal zu betäuben.

Ein andermal war es Djumin, der einen Bär vor einer Berghütte in letzter Minute bewegen konnte, vom schlafenden Kremlchef zu lassen. Ohne finalen Rettungsschuss. Das klingt nach tiefer Männerfreundschaft.

Dazu gehört auch das gemeinsame Eishockeyvergnügen in der „Nachthockeyliga“, in der Wladimir Putin vermögende Freunde, Minister und Altstars versammelt. Es stürmt der Präsident und im Tor steht Alexej Djumin. Der soll sich laut des Blattes Wedomosti auf die Raffinesse verstehen, wann es die Staatsräson gebiete, einen Puck zu halten oder durchzulassen.

Held Russlands

Offiziell ist der Torhüter Djumin auch schon ein „Held Russlands“. Wofür er den höchsten staatlichen Orden erhielt, bleibt jedoch unklar. Für die Rettung des flüchtenden ukrainischen Präsidenten Wiktor Janukowitsch vor zwei Jahren? Oder die Annexion der Krim?

Mit der „Aktion Janukowitsch“ will der Gouverneur partout nichts zu tun gehabt haben. Ohne Djumins Einheiten für Sonderaufgaben wäre die Besetzung der Krim sicherlich nicht so glatt verlaufen. Eigentlich hatte sich Djumin 1999 auf einen baldigen Wechsel eingestellt: Sein Schutzbefohlener sei nur eine Übergangslösung, dennoch solle er die Arbeit gewissenhaft erledigen, hatte ihm ein Vorgesetzter gesagt.

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