Personalchaos bei der Bahn: Alle Planungen auf den Prüfstand
Die Bahn will ihre Personalplanungen für 2014 überprüfen. Dabei sollen die Beschäftigten mitreden können. Die Grünen fordern eine bessere Entschädigung der Kunden.
FRANKFURT/MAIN dpa | Wegen der massiven Personalprobleme im Stellwerk Mainz wollen Bahn und Gewerkschaft gemeinsam den kompletten Personaleinsatz des Konzerns überprüfen. Sie einigten sich am Mittwochabend nach achtstündigen Verhandlungen in Frankfurt darauf, die gerade laufenden Personalplanungen für das kommende Jahr in sämtlichen rund 400 Konzernbetrieben gemeinsam mit den Beschäftigten zu überprüfen. Die bis Mitte Oktober zu erarbeitenden Ergebnisse sollen am 4. November in gleicher Runde von Betriebsräten und Personalvorständen erneut diskutiert werden.
Überstunden sollen möglichst komplett abgebaut und gewährte Urlaubs- und Ruhetage auch eingehalten werden. Die Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft rechnet nach den Worten ihres Chefs Alexander Kirchner mit zusätzlichen Einstellungen. Er wollte sich nicht auf eine genaue Zahl festlegen. Man habe bewusst darauf verzichtet, wie auf einem Basar um Zahlen zu feilschen. „Wir haben uns vorgenommen, gemeinsam daran zu arbeiten, dass sich ein solches Debakel nicht wiederholt“, sagte Bahn-Personalvorstand Ulrich Weber. Der Prozess werde zeigen, wo Neueinstellungen notwendig seien.
Anlass für die Verhandlungen waren massive, seit Wochen anhaltende Probleme im Stellwerk Mainz, wo nicht genügend Fahrdienstleiter vorhanden sind. „Mainz ist die Spitze des Eisbergs“, sagte Kirchner. Konzernweit seien 8 Millionen Überstunden und 9 Millionen Stunden ausstehender Urlaub aufgelaufen.
Weber wehrte sich gegen den Vorwurf, bei der Bahn gebe es gar keine Personalplanung. Man nehme den demografischen Wandel ernst, was sich in 20 000 Neueinstellungen in den vergangenen Jahren zeige. Allein im ersten Halbjahr 2013 habe die Bahn 2000 neue Arbeitsplätze in Deutschland geschaffen. Im Inland beschäftigt die Deutsche Bahn AG mehr als 194 000 Menschen, weltweit sind es rund 300 000.
Kauder: „Grube ist der richtige Mann“
Unterdessen stärkte Unionsfraktionschef Volker Kauder (CDU) Konzernchef Rüdiger Grube den Rücken. „Bahnchef Grube ist der richtige Mann, um die Funktionstüchtigkeit der Bahn wiederherzustellen“, sagte Kauder der Rheinischen Post (Donnerstag) und fügte hinzu: „Er muss jetzt schnell handeln. Die Bevölkerung erwartet zu Recht, dass die Bahn funktioniert. Punkt.“
Der Bund als Bahn-Eigentümer plant weiterhin keinen Börsengang. Die Bemühungen für eine Teilprivatisierung der Transportsparten des Konzerns seien in dieser Legislaturperiode nicht fortgesetzt worden, hatte Regierungssprecher Steffen Seibert am Mittwoch gesagt.
Die SPD forderte angesichts der Probleme einen Verzicht auf die von der schwarz-gelben Koalition eingeführte Dividende von rund 500 Millionen Euro, die die Bahn jährlich an den Bund zahlen muss. Die Regierung erwartet, dass die Bahn die Beeinträchtigungen für die Fahrgäste rasch in den Griff bekommt.
Grüne: „Zügig und umfassend entschädigen“
Die Grünen im Bundestag verlangen wegen der massiven Probleme am Mainzer Hauptbahnhof eine bessere Entschädigung der Fahrgäste. „Verlierer des Bahnversagens in Mainz sind die Verbraucher“, sagte Fraktionschefin Renate Künast der Nachrichtenagentur dpa. „Wir fordern die Deutsche Bahn auf, alle Zeitkarteninhaber zügig und umfassend zu entschädigen.“ Pendler, die morgens und abends jeweils Verspätungen von 50 Minuten hinnehmen müssten, gingen bisher leer aus, kritisierte Künast. Sie sollten schon ab 30 Minuten Verspätung Anspruch auf eine Erstattung haben.
Die Zustände in Mainz offenbarten, dass Fahrgastrechte generell zu wenig Gewicht hätten, sagte die Grünen-Politikerin. „Müsste die Bahn ihre Kunden angemessen entschädigen, könnte sie sich eine solche Personalpolitik auf Kosten ihrer Kunden nicht leisten.“
Die Bahn hat Reisenden unter anderem angeboten, gekaufte Tickets für Fahrten von und nach Mainz Hauptbahnhof kostenlos zu erstatten, wenn ihr Zug dort nicht hält. Wer etwa wegen verpasster Anschlüsse mindestens 60 Minuten zu spät ans Ziel kommt, hat Anspruch auf eine Entschädigung im Rahmen der Fahrgastrechte. Demnach werden 25 Prozent des Preises erstattet, ab 120 Minuten Verspätung 50 Prozent.
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