Personalausleihe in der Corona-Krise: Erzieher für die Ernte?
Hamburgs Sozialbehörde baut Personalpool auf, der in der Krise Engpässe ausgleichen soll. Träger sollen Beschäftige für andere Bereiche ausleihen.
„An einigen Stellen wird gegenwärtig Personal wegen wegfallender Aufgaben nicht benötigt, während an anderen Stellen Aufgaben bestehen, die dringend wahrgenommen werden müssen“, schrieb Sozialstaatsrätin Petra Lotzkat an alle Sozialdienstleister. Das Angebot gelte für Jugendhilfe, Kitas, Wohnungslosenhilfe, Eingliederungshilfe und „sonstige soziale Einrichtungen“, unabhängig von der Finanzierungsform.
Ein Blick auf die Seite des Bundesarbeitsministeriums (BMAS) ließ einige kleine Träger bange werden. Denn das als „Schutzschirm“ konzipierte SodEG lässt Spielraum für Kürzungen der finanziellen Zuschüsse. So steht im Gesetz, die bisherigen Zuschüsse könnten in der Krise bis zu 75 Prozent gezahlt werden. Die Länder könnten mehr zahlen, wenn sie dies für nötig hielten. Die Frage ist nun, ob die Höhe der Gelder daran geknüpft ist, ob Personal für andere Bereiche freigestellt wird.
Denn es gibt Bedingungen: Die Antragsteller sollen erklären, dass sie Arbeitskräfte, Räume und Sachmittel zur Verfügung stellen, die zur Pandemie-Bewältigung geeignet seien, so das BMAS. Dies gelte besonders für den Pflegebereich. Die Krisenbewältigung könnte aber auch Hilfen bei Lebensmittelversorgung oder Ernte erfordern. Sprich: Im äußersten Fall müsste ein Erzieher zur Spargelernte. Wobei nach ersten Einschätzungen von Juristen so eine Ausleihe nur freiwillig und für gemeinnützige Jobs möglich ist.
Einsatz in Wohngruppe statt Werkstatt
Für den Bereich der Eingliederungshilfe für Menschen mit Behinderung haben Sozialbehörde und die Arbeitsgemeinschaft der freien Wohlfahrtspflege (AGFW) nun einen „Mustervertrag“ vereinbart, wie Geschäftsführer Jens Stappenbeck berichtet. Der besage, dass die Träger eine 100-Prozent-Finanzierung und zudem durch Corona bedingte Mehrbedarfe bekommen, und im Gegenzug Personal, das freigestellt werden kann, etwa weil Werkstätten geschlossen seien, in andere Bereiche wie Wohngruppen abgebe. „Maßgabe ist, dass die arbeitsrechtlichen Bestimmungen eingehalten werden. Das war allen wichtig“, sagt Stappenbeck. „Bislang wurde noch keiner quer vermittelt. Aber es gibt eine große Bereitschaft, das zu tun“.
Noch offen ist nun, was das für die anderen Bereiche, wie etwa die Jugendhilfe, bedeutet. Sozialbehörden-Sprecher Martin Helfrich beantwortet die Fragen der taz dazu nur allgemein. Es handle sich um einen „Schutzschirm“ für die Träger, die Behörde setze darauf, dass „viele dieses solidarische Instrument nutzen wollen“.
Die Behörde rechne damit, dass jetzt freie Kapazitäten und Bedarfe eingingen. Ohne Einverständnis der Beschäftigten gebe es keine Datenweitergabe. Gefragt, ob es sich finanziell auswirke, ob ein Träger Kräfte melde oder nicht, heißt es, die SodEG-Leistungen seien an die grundsätzliche Bereitschaft geknüpft, frei werdende Ressourcen „zu Bewältigung der Krise einzusetzen“.
Linke fordert Verzicht auf Kürzungen
Die Linke fordert, dass die Ausleihe freiwillig sein soll und kein Existenzdruck auf Träger lasten solle. „Der Schutzschirm muss für alle Bereiche gleiche Rahmenbedingungen schaffen“, sagt Jugendpolitikerin Sabine Boeddinghaus. Die Träger seien dabei, konzeptionelle Arbeit in Zeiten von Corona und danach zu entwickeln. Da müsse Hamburg „auf Kürzungen verzichten. Es darf jetzt kein Trägersterben geben.“
Die Jugendhilfe sei jetzt schon unterfinanziert, ergänzt Parteikollegin Insa Tietjen. „Aus meiner Sicht erlaubt das Gesetz auch nicht, solche Fachkräfte an der Kasse einzusetzen.“
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