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Personalaufstockung in der PflegeBloß nicht beim Alten bleiben

Barbara Dribbusch
Kommentar von Barbara Dribbusch

Der Personalzuwachs in den Heimen darf nicht an zu hohen bürokratischen Vorgaben scheitern. Denn das Schlimmste wäre, wenn alles bleibt, wie es ist.

Über unbürokratischen Personalzuwachs in den Heimen würden sie sich freuen Foto: Christian Ditsch/imago

W er wissen will, wie schwierig Sozialpolitik ist, wenn man versucht, einen Mangel zu lindern, und damit neue Gerechtigkeitsfragen aufwirft, der muss sich nur die Pflege anschauen. Ein Gesetzentwurf aus dem Hause Spahn will 20.000 zusätzliche Hilfskräfte in Heimen finanzieren, übrigens ohne dass deswegen die Eigenanteile für die BewohnerInnen steigen. Das ist wenig, aber immerhin.

Die Hilfskräfte, sofern sie noch keinen Berufsabschluss haben, sollen innerhalb von zwei Jahren zu „Pflege­assistentInnen“ qualifiziert werden. Ja, es stimmt, dass im Gesetzentwurf unklar ist, was genau diese „Qualifizierung“ bedeutet.

Aber an den noch ungelösten Fragen der HelferInnenausbildung darf eine Personalaufstockung nicht scheitern. Zumal ein Berufseinstieg über eine HelferInnenausbildung für Leute mit wenig Sprachkenntnissen oft die einzige Möglichkeit ist, in den Job reinzukommen. Eine reguläre dreijährige Pflegeausbildung mit Examen ist wegen der Sprachprobleme oft nicht zu schaffen, aber man kann später eine solche Ausbildung draufsatteln.

Es ist also sinnvoll, beim Wort „Hilfskräfte“ oder „Assistenzkräfte“ nicht gleich zu lamentieren, hier handele es sich doch wieder nur um eine Aufstockung mit billigem, angelerntem Personal, das die Qualität im Heim garantiert verschlechtere. Was genau machen denn die Angehörigen, die in 1,7 Millionen Haushalten Pflegebedürftige allein versorgen? Das sind Autodidakten. Um deren Qualifikation beim „Ausscheidungsmanagement“ (Pflegejargon) sorgt sich niemand.

Die Wohlfahrtsverbände fordern bundeseinheitliche Kriterien für die Assistenzausbildung, und das ist ein richtiger Weg. Ansonsten aber ist Flexibilität gefragt. Schafft eine Hilfskraft die Nachqualifizierung in Kursen und on the job nicht, muss die Refinanzierung für die Heime trotzdem gesichert sein. Der Personalzuwachs in den Heimen darf nicht an zu hohen bürokratischen Vorgaben scheitern. Sonst bleibt alles beim Alten. Und das wäre das Schlimmste.

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Barbara Dribbusch
Redakteurin für Soziales
Redakteurin für Sozialpolitik und Gesellschaft im Inlandsressort der taz. Schwerpunkte: Arbeit, soziale Sicherung, Psychologie, Alter. Bücher: "Schattwald", Roman (Piper, August 2016). "Können Falten Freunde sein?" (Goldmann 2015, Taschenbuch).
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6 Kommentare

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  • Personalmangel ist das eine das grundsätzliche Verständnis von Pflege ein anderes. Jüngere Menschen mit Handicaps oder chronischen Krankheiten setzten in Deutschland Assistenz entweder in Form eines persönlichen Budgets oder mit Assistenzvereinen durch - leider muss jede:r Betroffene das noch immer individuell durch die Instanzen erklagen um nicht doch im Heim zu landen wo die "Hausordnung" und stets unterbesetzte Pflegeteams unabhängig einzeln engagierter Pfleger:innen ihr Leben fortan bestimmt und sie nichts mehr zu melden haben. Patienten heißen im Assistenzmodell Assistenznehmer:innen und sind Expert:innen in eigener Sache auch von ihrem eigenen "Ausscheidungsmanagement". So bezahlen sie über das Budget oder im Assistenzverein mit den bewilligten Leistungen z.B. eine ausgebildete Pflegerin für einen nötigen Verbandswechsel einer offenen Wunde und von ihr/ihm angelernte Assistenten für alle anderen Bereiche. Dabei werden von diesen dann klassische Pflegeleistungen wie Körperpflege, Essenszubereitung und Assistenz beim Essen aber auch Freizeitbegleitung aus einer Hand geliefert was überhaupt erst selbstständige Alltagsgestaltung ermöglicht. Viele Menschen benötigen keine rund um die Uhr Pflege bis zu 8 Stunden pro Tag ist diese selbstständige und Menschenwürdige Assistenz in der eigenen Wohnung sogar günstiger als die Unterbringung im Heim. Dass das Modell nicht generell auf Ältere mit Unterstützungsbedarf ausgeweitet wird ist eine eklatante Missachtung des Menschenrechts auf Selbstbestimmung. Assistenz zu Hause oder WG-Modelle für Ältere auch mit Demenzerkrankungen zeigen dass Assistenz auch funktioniert wenn die Assistenznehmer:innen sich nicht mehr klar äußern können. Auch dort bestimmt jede:r soweit er oder sie kann den eigenen Alltag.

  • 0G
    05838 (Profil gelöscht)

    „Was genau machen denn die Angehörigen, die in 1,7 Millionen Haushalten Pflegebedürftige allein versorgen? Das sind Autodidakten. Um deren Qualifikation beim „Ausscheidungsmanagement“ (Pflegejargon) sorgt sich niemand.“

    Nach meinem Kenntnisstand leben die Menschen, die von unausgebildeten Familienangehörigen gepflegt werden im Schnitt länger und haben geringere Verschlechterungsschübe. Als es die Zivis noch gab, war auch die außerhäusliche Pflege besser als heute.

    Die politisch nicht korrekte Gretchenfrage wäre dann: Was ist in der Pflege Qualifikation?

    Durch meine Erfahrungen mit externer Pflege bei Angehörigen kann ich sicher sagen, dass ich mich selbst eher vor den Zug werfen würde, als mich in Deutschland extern pflegen zu lassen.

    Es geht in diesen Debatten immer nur um die Arbeitsbedingungen des Personals und nie um die Bedürfnisse der zu Pflegenden. Hier liegt das Grundproblem der Mängel im Pflegebereich.

    Man kann Zuwendung nicht kaufen.

    • @05838 (Profil gelöscht):

      "Es geht in diesen Debatten immer nur um die Arbeitsbedingungen des Personals und nie um die Bedürfnisse der zu Pflegenden."



      Wenn es um die Arbeitsbedingungen der Pflegenden geht, geht es um die Bedürfnisse der zu Pflegenden. Eben weil mit Arbeitsbedingungen immer gemeint ist: zu wenig Zeit für zu viele Patienten samt deren Bedürfnisse!

    • @05838 (Profil gelöscht):

      Zustimmung. Die Pflege durch Angehörige sollte staatlicherseits deutlich besser unterstützt werden. Schließlich opfern diese Zeit, Geld und manchmal auch den Job für einen sozialen Zweck. Das sollte nicht nur mit Lob gewürdigt werden.

      • 0G
        05838 (Profil gelöscht)
        @Luftfahrer:

        Es herrschen sehr merkwürdige Vorstellungen zur Qualifikation von Pflegeberufen.

        Würde man diese überall umsetzen, dann dürften eine Frau und ihr Partner nur Eltern werden, nachdem sie eine 3-jährige Berufsausbildung abgeschlossen haben.

  • Ob die Doppeldeutigkeit der Überschrift wohl beabsichtigt ist?