: Perschau: „Das ist die Sanierungskoalition“
■ Grundsatzdebatte über Haushalt 1999 und die Sanierungsperspektiven Bremens
„Die ganze Wahrheit muß heute auf den Tisch“, verlangte der AfB-Bürgerschaftsabgeordnete Patrick Wendisch gestern vom Finanzsenator in der Grundsatzdebatte über den Haushalt 1999 und die mittelfristige Finanzplanung. Die Aufforderung bezog sich weniger auf den Etat 1999, der durch Vermögensveräußerungen und zugesagte 1,8 Milliarden Mark aus Bonn gesichert ist, als auf das Jahr X nach Ende des Sanierungs-Segens aus Bonn: Für das Jahr X gebe es nur „Beschwörungsformeln“.
Indirekt ging Finanzsenator Hartmut Perschau darauf ein. Man versuche in Bonn gerade zu erreichen, daß der Zeitraum der Sanierungshilfe nicht mit dem Jahr 2003, sondern ein Jahr später endet, erklärte er. Dies ist mit den für Bremen schlechteren Zahlen nach der aktualisierten Steuerschätzung 1998 begründbar, der Sinn ist aber ein weitergehender: Nach dem Jahre 2004 wird es eine neue Bund-Länder-Finanzstruktur geben. Bis dahin müsse Bremen alles tun, um dann unter neuen Bedingungen lebensfähig zu sein, meinte Perschau.
Alle, die auf eine andere Steuerzerlegung hoffen, enttäuschte Perschau: Das hilft zwar „unserem Bürgerstolz“, stellte Perschau klar, bringe aber nur „eine minimale Marge“ mehr in die Kasse. Wenn jemand, der in Bremen arbeitet, seine Lohnsteuer in Niedersachsen entrichtet, fließt der größte Teil der Summe, die Bremen zunächst entgeht, durch den Länderfinanzausgleich zurück. Bremen hätte also nicht mehr Geld, wenn das „Wohnortprinzip“ eingeführt würde, müßte sich allerdings nicht so sehr als „Nehmer-Land“ fühlen.
Wie die neue Struktur der Bund-Länder-Finanzströme aussieht, weiß heute niemand. Daß sie für die Stadtstaaten, deren Abschaffung einige finanzstarke und CDU-regierte Länder direkt betreiben, günstiger wird, ist auch nach einem internen Bericht des Senats über die Verhandlungslage nicht zu erwarten. Wenn in diesem Bericht des Senats zu lesen sei, daß daher ein „neuer Zuschnitt in allen Aufgabenbereichen“ des Etats der Preis für die Erhaltung der Selbständigkeit sein werde, dann, so meldete sich die außerparlamentarische FDP zur aktuellen Haushaltsdebatte zu Wort, frage sich, warum das in den dreieinhalb Jahren der großen Koalition nicht passiert sei. „Der Senat hat die Bevölkerung getäuscht“, meinte FDP-Vorsitzender Peter Braun.
Das sieht auch der Vorsitzende des Haushaltsausschusses, Dieter Mützelburg (Grüne), so. 1995 habe der offizielle Schuldenstand 16,9 Milliarden Mark betragen, Ende 1998 liege er knapp höher - „die große Koalition hat keinen Pfenning zur Entschuldung Bremens beitragen können“. Heute wie damals würden von einer Mark Steuereinnahmen 26 Pfennig an die Banken für Zinsen weggehen. Auch die Behauptung des Finanzsenators, die Steigerung der geplanten laufenden Ausgaben von 1999 gegenüber 1998 falle mit 0,5 Prozent sehr gering aus, sei nicht ehrlich: Wenn man die 114 Millionen Mark hinzunehme, die aus dem ISP dem Haushalt 1999 zugeschlagen wurden, dann käme man auf reale 2,4 Prozent Steigerung, rechnete Mützelburg.
Der Finanzsenator bestritt diese Rechnung nicht. Aber er bestritt, daß die „alten Rezepte“ der Grünen die Sanierung Bremens „einen Millimeter voranbringen“ könnten. Auch Cornelia Wiedemeyer, SPD-Haushaltsexpertin, kritisierte die Vorschläge der Grünen, die darauf hinausliefen, Investitionen zu kürzen zu Gunsten von laufenden Ausgaben. „Die Grünen sind alt, grau und ein bißchen müde geworden“, spottete Perschau. Die „Sanierungskoalition“ müsse den Schulterschluß über die Legislaturperiode hinaus suchen.
Einig waren sich Koalition und Opposition nur, was die Verwaltungsreform angeht. „Noch energischer“, versprach Perschau, müßte in den einzelnen Bereichen nach Kosten und Nutzen gefragt werden. Andreas Lojewski (AfB) sah 2 Millionen Mark Einsparpotential bei der „Senatskommission für das Personalwesen“ (SKP), für die Perschau verantwortlich ist. Er warf die Frage auf, warum die CDU nicht das Personalvertretungs-Recht reformiere, das „eine vernünftige Verwaltungsreform“ so sehr erschwere. Mützelburg (Grüne) erinnerte daran, wie Henning Scherf die Abschaffung der SKP-Behörde angekündigt habe. Dort sehe ein CDU-Staatsrat derzeit seine Aufgabe darin, Parteimitglieder mit Posten im Staatsdienst zu versorgen. K.W.
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