Peng-Kollektiv und Hartz-IV: Gaucks handsignierte Entschuldigung
Das Ministerium für Arbeit und Soziales entschuldigt sich bei den Verliererinnen und Verlierern der Hartz-IV-Reform. Leider ist das ein Fake.
Die Videobotschaft ist Teil der Internetseite www.deutschland-sagt-sorry.de. Grau unterlegt ziert oben links das Logo des Arbeit- und Sozialministeriums die Seite. Unter dem eingebetteten YouTube-Clip prangt ein Porträt Bundespräsident Joachim Gauck. Den Benachteiligten der unsozialen Agenda 2010 wird „ein handsigniertes Entschuldigungsschreiben“ von ihm angeboten.
Spätestens an diese Stelle fällt auf, dass etwas nicht stimmen kann. Schließlich gilt Gauck bis heute als ein glühender Verfechter der Agenda 2010 und von Hartz IV. Und tatsächlich: Es handelt sich um eine Fake-Seite.
Dahinter steckt nicht das Ministerium der Sozialdemokratin Andrea Nahles, sondern die PR-Agentur DIE POPULISTINNEN, eine Kooperation des Peng! Kollektivs und des Schauspiel Dortmund. Ihr Ziel ist es, „mit Mitteln des Theaters, investigativem Journalismus und subversiver Kampagnenkunst gesellschaftlich relevante Themen (zu)bearbeiten und zu einer großen Öffentlichkeit und politischen Durchschlagskraft (zu)verhelfen“.
Im konkreten Fall geht es ihr darum, die Ungerechtigkeiten des Hartz-IV-Systems anzuprangern. Sowohl in dem Video als auch in mehreren Fallbeispielen auf der Seite machen die subversiven AktivistInnen anhand von Einzelschicksalen anschaulich, welch fatale Folgen die „Reform“ gezeitigt hat. Sie stehe „an mehreren Stellen im Widerspruch zum Grundgesetz“, kritisieren sie. „Die Kürzung der Leistungen durch Sanktionen, die vom Jobcenter als Bestrafungs- und Druckmittel eingesetzt werden, ist menschenunwürdig.“
Aufsehenerregende Aktionen
Die KunstaktivistInnen rund um das Berliner Peng-Kollektiv haben in der Vergangenheit wiederholt mit aufsehenerregenden Aktionen für Schlagzeilen gesorgt. So fluteten sie vor zwei Jahren eine Shell-Veranstaltung mit schmieriger, öliger Flüssigkeit, um auf die Gefahren bei Bohrungen in der Arktis hinzuweisen.
Im April 2015 kaperten die AktionskünstlerInnen das Foyer des Energiekonzern Vattenfall in Berlin und verkündeten bei einer inszenierten Pressekonferenz in dessen Namen einen Ausstieg aus der Kohle und den hundertprozentigen Umstieg auf erneuerbare Energien. Im November vergangenen Jahres persiflierten sie mit der Webseite machwaszaehlt.de eine Werbekampagne der Bundeswehr. Ebenso verantwortlich sind sie für die Geheimdienstkampagne Intelexit.
Und im Februar besuchte das Peng! Kollektiv eine nicht öffentliche Tagung der Bundesprogrammkommission der AfD im Kasseler Pentahotel: Ein als Clown verkleideter Aktivist der Gruppe sang ein Geburtstagslied – und warf schließlich eine Sahnetorte auf die AfD-Politikerin Beatrix von Storch. „Der Tortenwurf ist letztes Mittel am Grenzbaum zur Unmenschlichkeit und dringlichster Ausdruck direkter Demokratie“, begründete er seine Aktion.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Israelische Drohnen in Gaza
Testlabor des Grauens
Rekrutierung im Krieg gegen Russland
Von der Straße weg
Umfrage zu Sicherheitsgefühl
Das Problem mit den Gefühlen
Gewalt an Frauen
Ein Femizid ist ein Femizid und bleibt ein Femizid
Berliner Sparliste
Erhöht doch die Einnahmen!
„Freiheit“ von Angela Merkel
Die Macht hatte ihren Preis