Peking nach „Null Covid“: Wie Xi Jinping China im Weg steht

Die wirtschaftliche Erholung Chinas stockt. Peking macht den Westen verantwortlich, doch macht selbst viele Fehler. Eine Analyse.

Zahlreiche Container und Kräne am Wasser.

Sicherer Hafen für die Weltwirtschaft? Chinas autoritäre Politik gibt dazu Zweifel Foto: VCG/Imago

PEKING taz | Mittlerweile gibt es keinen Zweifel mehr daran, dass Chinas zunächst schwungvolle Wirtschaftserholung nach dem Ende der „Null Covid“-Politik ins Stocken geraten ist. Am Dienstag untermauerte die Zollbehörde in Peking das mit harten Daten: Die Exporte des Landes konnten im April zwar mit einem Plus von 8,5 Prozent abschließen, doch das Wachstum ist im Vergleich zum Vormonat massiv abgebremst.

Die Importe sind weiterhin deutlich im Minus: Sie sanken im Jahresvergleich um satte 7,9 Prozent. Die mittelfristige Prognose ist ohnehin ernüchternd: Die Volksrepublik muss sich laut dem Internationalen Währungsfonds darauf einstellen, dass der jahrzehntelange Aufstieg Chinas abflachen wird. Das „Reich der Mitte“ könnte es schwer haben, über den Status eines Schwellenlandes hinauszukommen.

Aus europäischer Sicht ist insbesondere der schwache Konsum in China von Bedeutung: Pekings Handelsbilanz gegenüber der EU ist mittlerweile derart außer Balance geraten, dass sich das Defizit der Europäer in den letzten drei Jahren praktisch verdoppelt hat und mittlerweile an der 400-Milliarden-Euro-Marke kratzt. Bislang deutet wenig darauf hin, dass sich der Trend bald umkehren wird.

Die heimischen Unternehmen dürften also künftig eine „Risikominderung“ gegenüber der Volksrepublik China fahren. Dabei handelt es sich um keinen Abgesang auf den chinesischen Markt, der weiterhin wichtig bleiben wird. Doch sukzessive könnten Abhängigkeiten reduziert, Lieferketten diversifiziert und die Produktion nach Süd- und Südostasien verlagert werden.

Xi gibt dem Westen die Schuld

Alarmierend sind Chinas Handelsdaten sicherlich nicht, aber es ist mehr als klar, dass das Land deutlich hinter seinem Potenzial zurückbleibt. Die Schuldfrage ist in den Augen von Staatschef Xi Jinping längst geklärt: „Insbesondere die westlichen Länder, angeführt von den USA, verfolgen eine umfassende Eindämmung, Einkreisung und Unterdrückung Chinas“, sagte der 69-Jährige im Frühjahr während des Nationalen Volkskongresses. Das ist noch höflich ausgedrückt: Chinas Diplomaten und Staatszeitungen äußern die Sündenbock-Theorie in deutlich aggressiverem Tonfall – an allem Übel sei Washington schuld.

Dabei verhindert die Propaganda jegliche Selbstreflexion über eine Wahrheit, die deutlich komplexer ist: Nicht zuallererst die von den USA verhängten Tech-Sanktionen lähmen die Ambitionen der Volksrepublik, sondern vor allem die Politik von Xi Jinping selbst. Dass der kontrollwütige Staatspräsident eine Politik fährt, die Ideologie über Wachstum stellt, ist spätestens seit den ideologisch motivierten „Null Covid“-Exzessen des Vorjahres mehr als deutlich geworden.

Auch seine Entscheidung, sich nach dem Krieg in der Ukraine an die Seite Wladimir Putins zu stellen, hat nicht nur westliche Politiker und Diplomaten schockiert, sondern auch den westlichen Konzernen die Risiken ihrer China-Abhängigkeit plastisch vor Augen geführt. Und nicht zuletzt haben Xi Jinpings erratische Regulierungen gegenüber der Tech-Branche die erfolgreichsten Unternehmen des Landes nachhaltig dezimiert.

Macht auf Kosten der Wirtschaft ausgeweitet

Hinter solchen Maßnahmen steht eine kommunistische Parteiführung, die ihre Macht in den letzten Jahren auf Kosten der wirtschaftlichen Entwicklung massiv ausgeweitet hat. Peking versucht sich an einem höchst widersprüchlichen Drahtseilakt: Einerseits hofiert der neue Premierminister Li Qiang internationale Firmen.

Gleichzeitig lassen die Behörden derzeit im Wochentakt wegen vager „Spionagevorwürfe“ Razzien bei ausländischen Beratungsunternehmen durchführen oder Boykottkampagnen gegen westliche Firmen orchestrieren.

Nicht zuletzt scheint Peking zu vergessen, dass es ein System herausfordert, von dem es jahrzehntelang profitiert hat. Denn mindestens ebenso bedeutsam für den Aufstieg des Landes war neben seiner ökonomischen Öffnung Ende der 70er Jahre auch sein Beitritt in die Welthandelsorganisation 2001.

Dieser wurde damals – trotz harter Verhandlungen – sowohl von Europa als auch den Vereinigten Staaten begrüßt. Mittlerweile haben sich viele Hoffnungen des Westens, China möge durch die Zusammenarbeit weniger repressiv werden, weitestgehend zerschlagen.

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