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Pedro Almodóvars „The Room Next Door“Die Ordnung des Todes

In Venedig zeigt Pedro Almodóvar Tilda Swinton und Julianne Moore in perfekt abgestimmten Farben. Sie bereiten sich gemeinsam auf das Ende vor.

Julianne Moore und Tilda Swinton in „The Room Next Door“ Foto: warner

K urz war er sogar aus der Nähe zu sehen. Bei der Anlegestelle auf dem Lido, an der die Boote mit den Stars anlegen, hatte sich vor den Absperrungen eine Traube Interessierter gebildet, keine Minute später sah man den grauen Wuschelschopf des Regisseurs Pedro Almodóvar, der sich den Begehrlichkeiten der Fotografen stellte.

Die erste Station des Spießrutenlaufs für die Filmstars auf dem Lido, Stunden vor der eigentlichen Premiere auf dem roten Teppich. Almodóvar war angereist für seinen Wettbewerbsfilm „The Room Next Door“, ein Kammerspiel für Tilda Swinton und Julianne Moore.

Martha ist krank. Gebärmutterhalskrebs. Ingrid erfährt zufällig davon, als sie frisch nach New York zurückgekehrt ist, die Freundinnen hatten sich für einige Jahre aus den Augen verloren. Ingrid besucht ihre Freundin kurz darauf im Krankenhaus.

Diese freut sich, auch wenn sie Ingrid mitteilen muss, dass für sie keine Hoffnung besteht. Martha möchte Ingrid ungeachtet ihrer Situa­tion öfter sehen. Ingrid besucht Martha fortan regelmäßig im Krankenhaus, nach ihrer Entlassung auch zu Hause.

Verfilmung eines Romans von Sigrid Nunez

In „The Room Next Door“ lässt Almodóvar seinen Star Tilda Swinton in der Rolle der Kriegsreporterin Martha mit ihrer Krankheit kämpfen, während Julianne Moore als die Schriftstellerin Ingrid mit ihren Mitteln für ihre Freundin kämpft. Vorlage des Films ist der Roman „Was fehlt dir“ von Sigrid Nunez.

Almodóvar konzentriert sich in seiner Verfilmung auf seine beiden Darstellerinnen, lässt nur sehr wenige Nebenfiguren an ihrer Seite zu und besetzt einzelne Rückblickszenen von Erinnerungen Marthas mit anderen Schauspielern.

Der Großteil der Handlung spielt in einem luxuriösen Ferienhaus in Neuengland, wohin sich Martha mit Ingrid zurückzieht. Obwohl sie wissen, dass ihnen womöglich nicht viel Zeit bleibt, entsteht zwischen ihnen während dieser Reise eine nur umso größere Nähe.

Besonders statische Bilder

Almodóvar inszeniert diese Begegnung in den für ihn typischen kräftigen, genau abgestimmten Farben, mit viel Rot, dazu wählt er, wie es scheint, besonders statische Bilder mit penibel abgezirkelten Einstellungen. Man könnte fast meinen, er wolle dem Tod, von dem im Film unablässig die Rede ist, in diesen Bildern eine eigene Form verleihen.

So geordnet, wie die Räume bei ihm sind, bis hin zu den Menschen, die darin stehen oder sitzen, entzieht er ihnen mit diesem Zug ins Statuarische immer wieder ihre Lebendigkeit. Bei Aufnahmen durch Fensterglas hindurch lässt er seine zwei Hauptfiguren sogar schattenhaft wie Gespenster er­scheinen.

Obwohl vermutlich als Feier des Lebens im Abschiednehmen gedacht, bekommt sein Film so zugleich eine bleierne Schwere, was auch auf die etwas steifen Dialoge zutrifft. Die Perfektion einschließlich der Ausstattung lähmt am Ende vor allem.

Sie lässt die Kunst über das Leben triumphieren, ein bisschen aber auf Kosten des Lebens: Wo, bitteschön, findet man derart penibel saubere Gartenliegen mit makellosem Überzug und ohne ein einziges Blatt oder andere Spuren der Umgebung, mitten im Wald?

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Kulturredakteur
Jahrgang 1971, arbeitet in der Kulturredaktion der taz. Boehme studierte Philosophie in Hamburg, New York, Frankfurt und Düsseldorf. Sein Buch „Ethik und Genießen. Kant und Lacan“ erschien 2005.
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