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■ Für den Abbruch einer lebensnotwendigen Behandlung bei Komapatienten gibt es keine RechtsgrundlagePatiententestamente müssen nicht eingehalten werden

Das „Selbstbestimmungsrecht des Patienten“ wird in den Richtlinienentwürfen der Bundesärztekammer (BÄK) gleich mehrfach betont. Unter Autonomie versteht der BÄK-Ausschuß, der die neue Direktive zur Sterbebegleitung erarbeitet, auch das Recht des Patienten auf ärztliche Eingriffe, die für ihn tödlich wirken. Wer bewußtlos ist, soll künftig einen Anspruch darauf bekommen, durch Unterlassen lebenserhaltender medizinischer Maßnahmen ins Jenseits befördert zu werden.

Zwecks rechtlicher Absicherung solcher „Behandlungsabbrüche“, die bisher kein deutsches Gesetz erlaubt, empfiehlt BÄK-Vorstandsmitglied Eggert Beleites, daß ÄrztInnen Betreuungsverfügungen, Patiententestamente und ähnliche Erklärungen „mit Respekt beachten“ sollen. Gemeint sind Schriftstücke, in denen der Patient erklärt, ob und wie er medizinisch behandelt werden soll, falls er aufgrund einer Erkrankung irgendwann nicht mehr in der Lage ist, sich zu äußern. Zwar hatten die Delegierten des Deutschen Ärztetages noch 1995 bekräftigt, daß solche Erklärungen „mit größter Skepsis betrachtet werden müssen“, da PatientInnen in gesunden Tagen über Intensivmedizin häufig anders urteilen als im Falle eigener, schwerer Krankheit. Zudem seien Verfügungen, die als Vordrucke von manchen Sozialverbänden, Seniorenräten und kirchlichen Trägern angeboten werden, ohnehin rechtlich nicht verbindlich.

Doch der Redaktionsausschuß der Bundesärztekammer verweist auf „die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes“. In seinem „Kemptener Urteil“ hatte der BGH 1994 eine bemerkenswerte Interpretation des Paragraphen 1904 des Bürgerlichen Gesetzbuches hingelegt, auf die sich viele Befürworter von „Sterbehilfe“ immer wieder berufen. Dieser Paragraph befugt einen Betreuer, stellvertretend für den Betreuten, in riskante ärztliche Untersuchungen, Eingriffe und Heilbehandlungen einzuwilligen, zum Beispiel in Operationen, Chemotherapie, Strahlendiagnostik oder die Vergabe von Medikamenten mit belastenden Nebenwirkungen. Die Entscheidung des Betreuers muß vom Vormundschaftsgericht genehmigt werden.

In seinem „Kemptener Urteil“ stellt der BGH zwar fest, daß dieser Absatz des BGB „auf den – tödlich verlaufenden – Behandlungsabbruch nicht unmittelbar anwendbar“ sei. Trotzdem erklären die hohen Richter im selben Urteil, daß die tödliche „Beendigung einer bisher durchgeführten lebenserhaltenden Behandlung“ mit eben diesem Paragraphen sehr wohl gerechtfertigt werden könne, weil der Gesetzgeber dies auch ohne ausdrückliche Erwähnung des „Behandlungsabbruchs“ angeblich so gewollt habe.

Das klingt widersprüchlich – nicht nur für juristische Laien. Inzwischen haben auch mehrere Rechtswissenschaftler und mindestens zwei Gerichte der Auffassung des BGH widersprochen. Das Amtsgericht Hanau hatte 1995 erklärt, eine vormundschaftsgerichtliche Genehmigung der Betreuereinwilligung in lebensbeendende Maßnahmen könne kategorisch nicht erteilt werden. Ähnlich argumentierte im Mai dieses Jahres das Landgericht in Frankfurt am Main. Für den Abbruch der künstlichen Ernährung bei einer Komapatientin, so die Richter, gebe es keine Rechtsgrundlage. Richter sind in Deutschland unabhängig und nur den Gesetzen verpflichtet; den Entscheidungen der höchsten Gerichte müssen sie daher nicht zwangsläufig folgen.

In den Streit der Rechtsgelehrten hat sich inzwischen auch die Deutsche Hospiz Stiftung aus Dortmund eingemischt. In einer Stellungnahme zum Betreuungsrecht fordert sie den Bundestag auf, gesetzgeberisch aktiv zu werden. „Dringend notwendig“ ist nach Ansicht der Stiftung „eine ausdrückliche Klarstellung, daß der todbringende Abbruch einer medizinischen Behandlung nicht in den Geltungsbereich des Paragraphen 1904 BGB fällt“. Ob der Appell in Bonn Gehör findet, wird sich in der nächsten Legislaturperiode zeigen – jetzt herrscht erst mal Wahlkampf. kpg

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