Pascal Beucker zu den Corona-Lockerungsübungen Bodo Ramelows: Gefährliches Vabanquespiel
Na, wie wär’s: Thüringen schafft Anfang Juni landesweit alle Tempo-30-Zonen ab. Stattdessen verkündet die rot-rot-grüne Landesregierung, die entsprechenden Hinweisschilder beispielsweise vor Kitas oder Schulen seien nur noch als Empfehlung zu betrachten, bitte nicht zu schnell zu fahren. Der Ministerpräsident nennt das „verantwortungsbewusste Solidarität“. Klingt absurd, ja zynisch?
Nun ja, genauso will Bodo Ramelow künftig mit der Coronapandemie umgehen. Am kommenden Dienstag, so seine Ankündigung, will er seinem Landeskabinett Vorschläge unterbreiten, „wie wir ab dem 6. Juni auf allgemeine Schutzvorschriften verzichten können“. Sie sollen ersetzt werden durch ein „Konzept des Empfehlens“. Dann würde es in Thüringen auch keine landesweit verbindlichen Abstandsregeln mehr geben, ebenso wenig eine Pflicht, in öffentlichen Verkehrsmitteln oder Geschäften einen Mund-Nasen-Schutz zu tragen. Vielleicht geht es gut, vielleicht aber auch nicht. No risk, no fun.
Während der Parteispitze und der Fraktionsführung der Linkspartei auf Bundesebene in ungewohnter Einheit schon die derzeitigen bundesweiten Lockerungen zu weit gehen, exponiert sich ihr bekanntester Landespolitiker als Oberöffner. Das dürfte Abstands- und Masken-„Skeptiker“ wie den Thüringer FDP-Landeschef, die AfD oder sonstige Wirre freuen. All jene, die nicht glauben, Covid-19 sei nur eine harmlose Grippe, allerdings weniger. Mit seiner „Strategieänderung“ riskiert Ramelow die Gesundheit und schlimmstenfalls sogar das Leben von Menschen.
In Thüringen starben im vergangenen Jahr weit weniger Menschen im Straßenverkehr als in diesem Jahr bereits am Coronavirus. Auch wenn es die Freiheit der Autofahrer:innen einschränkt, käme trotzdem wohl niemand in den Sinn, deshalb verbindliche Tempobeschränkungen in bloße Empfehlungen umzuwandeln. Und so ist es beim Umgang mit der Pandemie eben auch nach wie vor nicht ausreichend, nur an eine „verantwortungsbewusste Solidarität“ zu appellieren. Aber zum Glück kann man wenigstens um Thüringen ja gut einen Bogen machen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen