Partnerschaft und Geschenke: Liebe im Alter
In der Andropause kann man nicht wählerisch sein. Und plötzlich sah sich unser Autor ausgewählt, ja, weit über Niveau beschenkt.
W ir stehen an der Supermarktkasse vor der Quengelware für alte, weiße Männer: Kaminwurzerl, Chiliwurzerl – kleine harte Würstchen aus Österreich. „Kann ich das haben?“, frage ich meine Frau und zupfe sie am Ärmel, als sie nicht reagiert. „Bitte!“ Ich schreie nun fast. Die Leute drehen sich zu uns um. Das ist mir egal. Mit Würde habe ich es schon lange nicht mehr.
So denke ich jedes Mal, wenn in Spielfilmen eine Person einer anderen Geld anbietet, und dabei wird den Zuschauern suggeriert, es wäre in dem dargestellten Kontext vollkommen würdelos, das Geld anzunehmen (was dann ja auch stets dramatisch zurückgewiesen wird): Also ich hätte es selbstverständlich angenommen.
In der Andropause kann man schließlich nicht mehr wählerisch sein. Gebe ich im Internet meine persönlichen Daten ein, muss ich beim Geburtsjahr mittlerweile so weit nach unten scrollen, dass ich davon eine Sehnenscheidenentzündung kriege.
Anschließend kann ich kaum noch die Zahnbürste halten. Im Grunde bräuchte ich ohnehin so einen komischen Krokodilsvogel, der mir immer in den Zahnzwischenräumen rumhackt, und wenn mal wieder der Pansen schreit, kann ich nur noch beten: „Komm Herr Jesus, sei Iberogast, und segne, was du uns bescheret hast.“
Superschnäppchen im Lebensschlussverkauf
Das treffendste Bild für die Lebensphase, in der ich mich befinde, wäre eigentlich eine Nebelkrähe, die im wintergrauen Park in einer ergiebigen Kotzlache herumpickt. Wäre, hätte ich nicht unerwartetes Glück gehabt, und zwar in Person jener holden und ehrbaren Wahnsinnstante, die es mir gelang nach Jahrzehnten so entbehrungsreicher wie vergeblicher Anbetung doch noch kurz vor Ultimo zu ehelichen – „das Superschnäppchen im Lebensschlussverkauf“, scherzt mein Urologe Zbigniew gern über diese Volte meines Lebenswegs.
Ich sah mich weit über Niveau beschenkt. Ähnlich musste sich Darmstadt 98 gefühlt haben, als die 2015 in die erste Fußballbundesliga aufstiegen und dann sogar noch einmal die Klasse hielten. Sie zog mich aus der Gosse, säuberte und herzte mich. Dann gingen wir zum Einkaufen.
Seitdem ist alles schön. Der Stuhl ist hart, das Gemüt ist weich – so soll es sein. Wir sind wie good cop und best cop. Doch mein Leben war nicht immer so. Mit besonderem Grauen erinnere ich mich zum Beispiel an die lange On-Off-Affäre mit Irina Workuta, meiner Russischlehrerin an der VHS. Es war entsetzlich. Wir liebten und wir schlugen uns. Am Ende kam die Polizei und trug uns beide in verschiedene Richtungen fort. Ich habe sie nie wieder gesehen.
Zurück im Supermarkt. Meine liebe Frau streicht mir gurrend übers Köpfchen, während ich meine Wurst esse. Natürlich habe ich sie bekommen. Sie kann mir doch nie ernstlich etwas abschlagen.
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