Parteitag in Berlin: Linke setzt auf Enteignung
Auf ihrem Parteitag kritisiert die Linke die Ampelkoalition, lobt eigene Anstrengungen in Berlin gegen die Krise – und stimmt für eine Doppelspitze
Mangelnde Schlagzeilen in den nächsten Monaten muss Berlins Linke nicht befürchten: Auf ihrem Parteitag am Samstag stimmten die Delegierten fast einhellig dafür, künftig von einer Doppelspitze geführt zu werden. Damit stehen bis zum nächsten Treffen Mitte Februar gleich mehrere zentrale Personalfragen an: Wer wird die Person an Katina Schuberts Seite? Tritt die 60-Jährige, die Berlins Linke seit 2016 allein führt, überhaupt noch einmal an? Kommt es zu einem umfassenden Generationenwechsel auch an der Spitze der Partei?
An der Basis ist die Verjüngung längst zu spüren, das zeigte auch dieser Parteitag in einem Hotel in Lichtenberg. Ein guter Teil der rund 130 anwesenden Delegierten hat eine politische Nähe zu den Themen, die zuletzt die landespolitische Debatte jenseits sozialer Fragen mitbestimmt hatten: Neben der angestrebten Umsetzung des Enteignen-Volksentscheids drängten klima- und damit verwandte verkehrpolitische Themen in den Vordergrund, auch wenn nur wenige entsprechende Anträge letztlich diskutiert wurden. Der bundesweit wieder aufgeflammte parteiinterne Konflikt um die russlandfreundlichen Positionen Sahra Wagenknechts war zwar omnipräsent, doch deren Unterstützer*innen stellten nur einen kleinen Teil älterer Delegierter.
Kein Platz für „Schwurbeleien“
Und Parteichefin Schubert macht gleich in den ersten Sätzen ihrer Eröffnungsrede klar, dass für Rechtsausleger und „Schwurbeleien“ kein Platz sei. „Wer jetzt meint, mit der Inbetriebnahme von Nord Stream 2 und der Aufhebung der Sanktionen gegen den Angreifer Russland würde alles wieder wie früher, irrt“, betonte sie.
Fast schon euphorisch wurde Ulrich Schneider empfangen. Der Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Wohlfahrtverbandes, der die Partei vor wenigen Tagen aus Protest gegen Wagenknecht verlassen hatte, war zu einem Grußwort geladen. Er appellierte an die Partei, die vielen sich überlappenden Krisen – Klima, Pandemie, Energieversorgung, Preissteigerungen – zusammenzudenken. Lösungen müssten „ökosozial“ sein, sagte Schneider. „Die schönste Rentenreform nutzt nichts, wenn die Lebensgrundlagen flöten gehen.“
Einig war man sich in der Kritik an der Ampelregierung im Bund. Die Armen würden bei den Entlastungen leer ausgehen, das sei ein Skandal, so Schneider. Die Regierung lasse die Menschen im Stich, erklärte Martin Schirdewan bei seinem ersten Auftritt auf einem Landesparteitag seit seiner Wahl zum Co-Bundeschef im Juni. Er forderte zur Bewältigung der Energiekrise eine Übergewinnsteuer, die Wiedereinführung der Vermögensteuer, eine Vermögensabgabe für Superreiche, einen Strom- und Gaspreisdeckel.
An Sozialsenatorin Katja Kipping, die dem Berliner Landesverband für dessen konstruktiven Umgang untereinander sogar eine „Liebeserklärung“ machte, war es dann, die sozialpolitischen Erfolge der Linken zu betonen. „Wir stehen für eine Stadt, die niemanden zurücklässt.“ Als erstes Bundesland habe Berlin auf Druck der Linken ein eigenes Entlastungspaket in Höhe von 1,5 Milliarden Euro aufgelegt. Man unterstütze soziale Einrichtungen und Menschen mit wenig Geld bei der Übernahme der explodierenden Energiekosten.
Fraktionschefin Anne Helm sah noch mehr Entlastungsmöglichkeiten: Angesichts hoher Gewinne könnte das landeseigene Stadtwerk darauf verzichten, bei seinen rund 40.000 Kund*innen im Oktober die Preise zu erhöhen. Für die anderen Stromkunden müsse der Bund einen Strompreisdeckel beschließen.
Die Linke sieht sich durch die gute Bilanz der Stadtwerke und die Verstaatlichung des Gaslieferanten Uniper durch den Bund in ihren Forderungen nach weiteren Rekommunalisierungen im Energiesektor und auch beim Wohnungsbestand bestätigt. Ein Jahr nach dem erfolgreichen Volksentscheid startet die Linke eine neue Kampagne für dessen Umsetzung. Bis Frühsommer 2023 will man selbst Eckpunkte eines entsprechenden Gesetzes verfassen.
Im April 2023 soll auch die vom Senat eingesetzte Expert*innenkommission ihre Position zu Enteignungen vorlegen. Wer dann auch immer die Partei führt, dürfte einiges an Überzeugungsarbeit im Koalitionsausschuss zu leisten haben. Denn während sich die Basis der SPD für ein Enteignungsgesetz auf ihrem Parteitag im Juni ausgesprochen hat, lehnt die Parteiführung das weiter ab.
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