Parteilose Richterin in Österreichs Kabinett: Wiens schillernde Justizministerin
Mit der neuen Justizministerin kehrt die österreichische Regierung zur Tradition zurück: An der Spitze des Ministeriums steht eine parteilose Juristin – die schwer einzuordnen ist.
Ihre Nominierung war die Überraschung bei der Kabinettsbildung im vergangenen November. Claudia Bandion-Ortner hatte niemand auf der Liste für das Justizministerium. Die 41-jährige Strafrichterin war nicht parteipolitisch engagiert und will auch jetzt nicht der ÖVP beitreten, die sie auf den verantwortungsvollen Posten berufen hat. Sie gilt als schillernde Figur der österreichischen Justizszene, weil sie sich gerne bei Society-Events blicken lässt. Nicht zuletzt zieht sie durch ihr Faible für schrille Brillen die Kameras auf sich. Nach eigenen Angaben besitzt sie aber "nur" 14 Stück.
Seit sie 2008 den Megaprozess gegen die Manager der gewerkschaftsnahen Bank Bawag wegen Bilanzfälschung und Veruntreuung von Milliarden souverän leitete, gilt sie als Prominente. Mit dem Bawag-Prozess, der mit Schuldsprüchen für die Hauptangeklagten endete, hängt es auch zusammen, dass die neue Ministerin am 16. Januar mit Verspätung vereidigt wird. Sie musste erst das über 800 Seiten starke Urteil, das im Juli mündlich ergangen war, schriftlich ausfertigen. Das hat sie letzte Woche erledigt.
Mit Bandion-Ortner kehrt man wieder zur Tradition zurück, das heikle Justizressort parteifreien Experten zu überlassen. Ob die Wahl, die von Medien und Fachkollegen gepriesen wurde, glücklich war, muss sich erst zeigen. Die Richterin folgt auf die Sozialdemokratin Maria Berger, die die wichtigsten Baustellen der Justiz im Familienrecht, Fremdenrecht, in der Korruptionsbekämpfung und im Strafvollzug ansprach, aber nicht beseitigen konnte, da die Regierung nach weniger als zwei Jahren platzte. Es bleibt das Geheimnis der SPÖ, warum sie das gesellschaftspolitisch zentrale Ressort ohne Not abgab und gegen das Gesundheitsministerium eintauschte, wo kaum Lorbeeren zu ernten sind.
Bandion-Ortner entstammt einer Juristendynastie, in der schon Vater und Großvater Richter waren. Ein Onkel und zwei Cousins entschieden sich für den Anwaltsberuf. Dass der Vater außerdem lange Jahre als FPÖ-Mandatar im Gemeinderat von Tamsweg in Salzburg saß, hält die neue Ministerin nicht für problematisch. Die Probleme sieht sie anderswo: "Die Unabhängigkeit der österreichischen Justiz ist vielleicht dadurch gefährdet, dass wir zu wenig Ressourcen haben. Wir leiden unter akutem Personalmangel."
In der Tat ist die forsche Richterin politisch schwer einzuordnen. Aus ihren bisherigen Äußerungen kann man aber nicht schließen, dass sie die ÖVP verärgern will, indem sie die heißen Eisen der gleichgeschlechtlichen Partnerschaften und der Entschärfung des Fremdenrechts, das serienweise Härtefälle produziert, an die Spitze ihrer Agenda setzt.
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