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Parlamentswahlen in IrlandIrische Koalition verliert Juniorpartner

Das konservative Bündnis in Dublin kann voraussichtlich weiterregieren – allerdings ohne die Grünen. Die Rechtsextremen gehen derweil leer aus.

Wahlerfolg: Der Vorsitzende der Fianna Fail, Micheal Martin, wird von seinen Anhängern gefeiert Foto: Jacob King/pa

Dublin taz | Das Endergebnis der irischen Parlamentswahlen am Freitag stand bei Redaktionsschluss noch immer nicht ganz fest. Klar ist, dass die beiden großen konservativen Parteien Fianna Fáil („Soldaten des Schicksals“) und Fine Gael („Stamm der Gälen“) ihre Koalition fortsetzen können. Allerdings müssen sie sich einen neuen Juniorpartner suchen: Von den bisher zwölf Abgeordneten der Grünen ist lediglich Parteichef Roderic O’Gorman wiedergewählt worden.

Dass die Auszählung so lange dauert, liegt am irischen Wahlsystem, bei der die Kandidaten in der Reihenfolge der Präferenz nummeriert werden. Die Stimmen der abgeschlagenen Bewerber werden dann auf die Kandidaten zweiter oder gegebenenfalls dritter oder vierter Wahl übertragen. Die öffentliche händische Auszählung ist eine spannende Angelegenheit, bei der die Nation mitfiebert.

Ein scheinbar hoffnungsloser Kandidat kann bei günstiger Stimmübertragung nach der 20. Auszählung wieder im Rennen sein. Die Prozentzahlen der Erststimmen sind deshalb nur bedingt aussagekräftig. Fianna Fáil kam dabei auf 21,8, Fine Gael auf 20,8 und Sinn Féin auf 19 Prozent. Die Wahlbeteiligung lag bei knapp 60 Prozent.

Grüne und Linke ziehen den Kürzeren

Für ein linkes Bündnis unter Führung von Sinn Féin hat es wieder einmal nicht gereicht, obwohl Labour, die Sozialdemokraten und das linke Bündnis People Before Profit/Solidarity beachtliche 25 Sitze gewannen. Die Linke schaffte es aber wieder nicht, eine kohärente und einheitliche Plattform aufzustellen.

Fianna Fáil und Fine Gael werden in den kommenden Wochen wohl eine Koalition mit der Labour Party oder mit den Sozialdemokraten anstreben. Ob eine der beiden Parteien den Lockrufen folgen wird, ist ungewiss, denn das Beispiel der Grünen sollte ihnen eine Warnung sein.

Für ein linkes Bündnis unter Führung von Sinn Féin hat es wieder einmal nicht gereicht

Dabei haben die Grünen gar nicht so viel falsch gemacht, ein solides Regierungsprogramm ausgehandelt und zahlreiche Punkte aus ihrem Manifest durchgesetzt. Das hat ihnen nichts genützt. „Vielleicht ist es einfach so, dass die kleinere Partei den Kürzeren zieht“, sagte Vizechefin Catherine Martin. Diese Erfahrung mussten die Grünen bereits 2011 machen, als sie sämtliche Sitze verloren, nachdem sie 2007 eine Koalition mit Fianna Fáil eingegangen waren.

Auch die Labour Party stürzte nach ihrer Regierungsbeteiligung 1992 ab. Für die Grünen kommt die Niederlage zu einem ungünstigen Zeitpunkt, sind sie nächstes Wochenende doch Gastgeber für den Kongress der Europäischen Grünen in Dublin.

Migration nicht mehr wichtigstes Thema im Wahlkampf

Die rechtsextremen Parteien haben bei den Wahlen trotz einer Rekordzahl von Asylbewerbern und vieler Antimigrationsprotesten keinen einzigen Kandidaten durchgebracht. Noch vor wenigen Monaten belegten Umfragen, dass die Wähler die Einwanderung als wichtigstes Thema ansahen.

Seitdem hat die Regierung Maßnahmen ergriffen, um die Zahl der Asylbewerber zu begrenzen, sodass das Thema auf Platz vier abgerutscht ist. Allerdings haben einige, nicht unbedingt rechtsextreme Kandidaten mit dem Thema erfolgreich Wahlkampf betrieben.

Der spannendste Wahlkreis war Dublin Central, weil dort Gerry Hutch antrat, eine der profiliertesten Figuren des organisierten Verbrechens, dessen Clan sich seit Jahren eine mörderische Fehde mit dem rivalisierenden Kinahan-Clan liefert, bei der bisher 18 Menschen ermordet wurden. Niemand glaubte, dass Hutch eine Chance hätte, aber er musste sich erst nach der 11. Zählung der Labour-Kandidatin geschlagen geben.

In Irland wird es also vorerst weitergehen wie bisher, weil die beiden großen Parteien den Wählerinnen und Wählern vorgegaukelt haben, dass Steuersenkungen und Ausgabenerhöhungen leicht vereinbar seien. Kurz vor der Wahl wiesen Experten jedoch darauf hin, dass mehr als die Hälfte der Körperschaftssteuer von nur zehn US-Unternehmen gezahlt wird. Die Rückkehr von Donald Trump ist eine reale Gefahr für Irlands Wirtschaft. Darauf sind die beiden großen Parteien wohl nicht vorbereitet.

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