Parlamentswahlen in Dänemark: Lars oder Mette
Bei den Wahlen am Mittwoch scheint eine rot-grüne Mehrheit möglich. Dazu müssten die Sozialdemokraten jedoch ihre Ausländerpolitik liberalisieren.
Und dann kommt aus dem Publikum als erstes die Frage einer 18-jährigen Schülerin: „Warum verteilt ihr Schnittrosen? Wo sind die produziert? Wisst ihr nicht, wie klimabelastend das ist, die aus Afrika einzufliegen? Habt ihr mal eine Klimabilanz aufgestellt?“ Nein, das habe man nicht gemacht, gestand Frederiksen etwas verdattert. Aber eigentlich würde sie gerne auch künftig Rosen verteilen.
Dieses war eine Szene, die deutlich die Kluft zeigte zwischen PolitikerInnen, die glauben mit weit in der Zukunft liegenden Zielen und Versprechungen Antworten auf das Klimathema geben zu können, und einer junge Generation, die sich damit jedoch offensichtlich nicht mehr abspeisen lässt. Sie will von den PolitikerInnen nicht nur Auskunft über deren ganz persönlichen Umgang mit der drohenden Klimakatastrophe haben, sondern auch Konsequenzen im Hier und Jetzt.
Nur zehn Tage nach den Wahlen zum Europaparlament wird am Mittwoch in Dänemark wieder gewählt: Die 179 Parlamentsabgeordneten des Folketing sind an der Reihe.
Anschluss in letzter Minute
Und es geht in Dänemark zur Abwechslung tatsächlich einmal nicht um einen Wettbewerb, welche Partei ihre Konkurrenten mit weiteren Verschärfungen in der Flüchtlings- und Ausländerpolitik überbietet. Laut Umfragen ist diesmal das Klima für die dänischen WählerInnen das wichtigste Thema.
Alle Parteien versuchten sich deshalb auch mehr oder weniger intensiv auf diesem Feld zu profilieren. Selbst die rechtspopulistische Dänische Volkspartei, die bislang vor „Klimahysterie“ warnte, beeilte sich in allerletzter Minute noch den Anschluss zu finden.
Sie war bei der Europawahl von 26 auf 10,7 Prozent abgestürzt, was laut erster Analysen auch mit der bei ihr bislang gänzlich fehlenden Klimapolitik zu tun hatte. Die Parteiführung erhielt dafür heftige Kritik von der eigenen Basis: Das sei ein „wake-up call“ gewesen und es sei überfällig, dass sich auch die Dänische Volkspartei ein Klimaprogramm geben müsse.
„Wir haben das verschlafen“, gestand die umweltpolitische Sprecherin Pia Adelsteen. Selbst bei den Rechtspopulisten scheint die Zeit, in der die Klimawandelleugner bestimmten, langsam zu Ende zu gehen.
Grundsätzlicher Wandel
Die Rechtsliberalen des bisherigen Ministerpräsidenten Lars Løkke Rasmussen hatten die Kurve schon früher gekriegt. War Klimapolitik in ihrer Regierungszeit keine Priorität, zogen sie nun mit der Forderung eines Verbots des Verkaufs von Benzinern und Dieselfahrzeugen ab 2030 in den Wahlkampf.
Løkke Rasmussens sozialdemokratische Herausforderin Mette Frederiksen verspricht gleich einen „grundsätzlichen Wandel“: „Wir brauchen eine neue Führung, die das Tempo der grünen Umstellung hochschraubt. Dänemark muss wieder eine grüne Großmacht werden. Und wir sind bereit diese Aufgabe zu übernehmen.“
Die Sozialdemokratin hatte es sich natürlich auch nicht nehmen lassen, in Kopenhagen demonstrativ an einer großen Klimamanifestation mit über 30.000 DemonstrantInnen teilzunehmen, bei der auch die schwedische Klimaaktivistin Greta Thunberg aufgetreten war.
Laut letzten Umfragen hat die 41-jährige Frederiksen die besten Chancen, Dänemarks neue und gleichzeitig jüngste Ministerpräsidentin zu werden. Zwar schrumpfte ihr Vorsprung in den vergangenen Tagen, aber die Sozialdemokraten liegen immer noch über fünf Prozent vor der zweitplatzierten rechtsliberalen Venstre von Løkke Rasmussen und dürften damit klarer Wahlsieger werden.
25 Prozent reichen nicht
Doch ihre 25 Prozent reichen für eine parlamentarische Mehrheit nicht aus. Als Partner wäre Frederiksen auf Parteien wie die sozialliberalen Radikalen, die rot-grüne Sozialistische Volkspartei oder die ebenfalls rot-grüne Einheitsliste angewiesen.
Doch die setzen die Sozialdemokraten nicht nur klimapolitisch unter Druck und fordern konkretere Ziele. Sie wollen auch ausländerpolitische Zugeständnisse erreichen. Teile der bisherigen, auf totale Abschottung gerichteten, Politik wollen sie nicht länger akzeptieren.
Und da wird es schwierig. Die Sozialdemokraten haben in der zu Ende gehenden Legislaturperiode nahezu alle 114 ausländer- und flüchtlingspolitischen Verschärfungen der Regierung von Løkke Rasmussen und deren Partner, der Dänischen Volkspartei mitgetragen. Und Frederiksen verkündete während des Wahlkampfs, dass eine von ihr geführte Regierung an der bisherigen Ausländerpolitik nicht rütteln werde.
Es wird Kompromisse geben müssen. Sonst, so befürchtet Mona Striib, Vorsitzende von FOA, der Gewerkschaft der öffentlich Angestellten, „haben wir die Chance auf eine rote Mehrheit“ und Frederiksen riskiere, dass ihr die Macht aus den Händen gleite.
Kein Freibrief
Einen Freibrief nach dem Motto „erst mal eine Koalition bilden, dann sehen wir weiter, bekommt Frederiksen von uns jedenfalls nicht“, sagt Pernille Skipper, Chefin der Einheitsliste. „Mit einigen kosmetischen Änderungen werden wir uns nicht abspeisen lassen“, betont auch Morten Østergaard, Vorsitzender der Radikalen.
Es sieht so aus, als sollte in Dänemark die Suche nach einer neuen Regierung spannender werden, als die eigentliche Parlamentswahl.
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