Parlamentswahl in Tschechien: Erfolg für Betrugsverdächtigen
Der Oligarch Andrej Babiš gewinnt mit seiner Partei die Wahl. Trotz eines Betrugsverdachts gegen ihn, wird er wohl Ministerpräsident werden.
Mit ihrem Ergebnis ist die ANO nun der höchste Berg in der tschechischen Parteienlandschaft – und der ist reichlich zerklüftet. Insgesamt neun Parteien werden in der nächsten Legislaturperiode in das 200-köpfige Abgeordnetenhaus einziehen. Die Parteien auf Platz zwei und drei dieser Wahlen haben beide jeweils einen Stimmanteil von ungefähr zehn Prozent.
Als möglicher Koalitionspartner der ANO könnte sich die populistische „Partei der direkten Demokratie“ (SPD) des Tschecho-Japaners Okamura entpuppen. Sie ist mit einem Stimmanteil von um die 11 Prozent die drittstärkste Partei im neuen Abgeordnetenhaus. Die SPD gilt als Stimme des Stammtischs. Im Wahlkampf punktete sie vor allem mit einer Rhetorik, die gegen die EU, Migration und den auf den Islam als Bedrohung zielte. Mit ihren 23 Mandaten könnten die „Okamurovci“ eine mögliche Koalitionsregierung mit der ANO auf die erforderliche Mehrheit von über 100 Mandaten zu hieven.
Zu den weiteren Gewinnern dieser Wahl zählen die Piraten, die die junge, urbane Mittelschicht repräsentieren. Ihr Stimmanteil von ebenfalls etwa 11 Prozent wäre eine Mitgift, die Andrej Babiš nicht unbedingt von der Hand weisen würde. „Ein historischer Schritt“, erklärte Piratenkapitän und versprach „vertrauenswürdig“ zu bleiben. Eine Koalition mit der ANO schloss er momentan aus.
Linkes Lager verliert
Das bürgerlich-konservative Lager Tschechiens wird in der nächsten Legislaturperiode vor allem von der ODS (Bürgerpartei) vertreten werden. Sie ist mit elf Prozent zweitstärkste Kraft. Sollte sie ihrem Wahlversprechen treu bleiben und nicht mit der ANO zusammen arbeiten, dürfte sie die größte Oppositionspartei zu Babiš bilden, zusammen mit den Christdemokraten (KDU-ČSL), der Partei der „Bürgermeister und Unabhängigen“ (STAN) und der TOP 09. Alle drei bürgerliche Parteien schafften es knapp über die Fünf-Prozent-Hürde.
Unerwartet hingegen, kam das katastrophale Ergebnis der bislang regierenden Sozialdemokraten. Hatten sie auf mindestens zwölf Prozent gesetzt, müssen sie sich mit schlappen 7,4 Prozent und dem schlechtesten Ergebnis der Parteigeschichte zufriedengeben.
Weiterer Wahlverlierer neben den Sozialdemokraten sind die Kommunisten. Sie haben 17 ihrer Mandate verloren, bei einem Stimmanteil von unter acht Prozent. Davon ging der größte Anteil an die ANO, wie erste Analysen zeigen. Die Wahlbeteiligung lag bei knapp 60 Prozent.
Der nächste Ministerpräsident Tschechiens wird also Andrej Babiš heißen. Er werde das Amt trotz der Betrugsanklage annehmen, die momentan anhängig ist, hatte Babiš noch am Tag vor der Wahl erklärt. Auch Präsident Miloš Zeman hatte schon im Vorfeld gesagt, er werde Andrej Babiš im Falle eines Wahlsiegs trotz des Betrugsverfahrens zum Ministerpräsidenten ernennen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
Bundestagswahl am 23. Februar
An der Wählerschaft vorbei
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
EU-Gipfel zur Ukraine-Frage
Am Horizont droht Trump – und die EU ist leider planlos
Erderwärmung und Donald Trump
Kipppunkt für unseren Klimaschutz
Wirbel um KI von Apple
BBC kritisiert „Apple Intelligence“