Parlamentswahl in Rumänien: Alles hängt von den Ungarn ab
Bei der Parlamentswahl in Rumänien gewinnen die regierenden Sozialdemokraten von Premier Victor Ponta. Um zu regieren, brauchen sie die ungarische Minderheit.
BERLIN taz | In Rumänien hat die Sozialliberale Union (USL) die Parlamentswahlen am vergangenen Sonntag mit 58,63 Prozent der Stimmen klar gewonnen. Demgegenüber musste die dem Staatspräsidenten nahestehende rechtskonservative Allianz für ein (Ge)Rechtes Rumänien (ARD) eine herbe Niederlage hinnehmen. Laut vorläufigem amtlichem Endergebnis stimmten nur ca. 17 Prozent der Wähler für die ARD.
Drittstärkste Kraft wurde die von dem Rechtspopulisten Dan Diaconescu gegründete Partei des Volkes (PP-DD); auch sie erhielt fast 17 Prozent der Stimmen. Die 5-Prozent-Hürde überwand auch der Demokratische Verband der Rumänienungarn (UDMR). Er wird das Zünglein an der Waage, um eine mehrheitsfähige USL-Regierung zu ermöglichen. Der sozialdemokratische Premier Victor Ponta erklärte, mit dem Verband Koalitionsgespräche führen zu wollen.
Der Vorstoß Pontas rief sofort die Kritik einiger Nationalisten in der USL hervor. Der Mitvorsitzende der USL, Crin Antonescu, relativierte die Ankündigung Pontas mit dem Hinweis, dieser habe bloß seine Bereitschaft signalisiert, "bestimmte Koalitionsformen" durchzudeklinieren. Das Verhältnis der USL zu dem Ungarnverband ist seit dem Sommer angespannt. Die ungarische Minderheit war damals dem Aufruf des nationalpopulistischen ungarischen Premiers Viktor Orban gefolgt und hatte das von der USL eingeleitete Referendum zur Amtsenthebung von Präsident Basescu boykottiert. Das Plebiszit scheiterte an dem vorgeschriebenen Beteiligungsquorum von 50 Prozent.
Der Konflikt zwischen Präsident und Premier kulminierte im Wahlkampf in wechselseitigen Beschuldigungen. Basescu kündigte an, er werde - unabhängig vom Wahlausgang - den USL-Spitzenkandidaten Ponta nicht als Premier bestätigen. Darauf reagierte Ponta am Sonntagabend mit einer dem Evangelium entlehnten Drohung: "Wer das Schwert nimmt, der soll durch das Schwert umkommen!"
Intellektuelle, die sowohl der USL als auch der ARD kritisch gegenüberstehen, nahmen den Ausgang der Wahl mit Erleichterung auf. Er sei zuversichtlich, dass der Modernisierungsprozess fortgesetzt werde, sagte Gabriel Andreescu, Professor an der Hochschule für politische Wissenschaften in Bukarest. Obwohl er Rumäne sei, habe er für den Ungarnverband gestimmt. "Die neue Generation in der ARD vertritt politische Visionen, die mit der Moderne unvereinbar sind", sagt er und nennt als Beispiel den christlich-orthodoxen ARD-Aufsteiger Mihail Neamtu. Dieser sei im Sommer bei einer Kundgebung mit einem Knoblauchzopf aufgetreten, um damit den Satan aus den Reihen der USL zu vertreiben.
Weil auch in der USL ähnliche Politclowns ihr Unwesen trieben, sei seine Wahl die einzige vernünftige Entscheidung gewesen. "Der Ungarnverband", sagt Andreescu, "wird als politische Kraft funktionieren, die die Fortsetzung der Modernisierung Rumäniens gewährleistet".
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Debatte um SPD-Kanzlerkandidatur
Schwielowsee an der Copacabana
BSW und „Freie Sachsen“
Görlitzer Querfront gemeinsam für Putin
Urteil nach Tötung eines Geflüchteten
Gericht findet mal wieder keine Beweise für Rassismus
Papst äußert sich zu Gaza
Scharfe Worte aus Rom
Unterwanderung der Bauernproteste
Alles, was rechts ist
Bisheriger Ost-Beauftragter
Marco Wanderwitz zieht sich aus Politik zurück