Parlamentswahl in Osttimor: Gusmão gewinnt in Timor-Leste
Die zerstrittenen Veteranenfraktionen lösen sich wieder an der Macht ab, während die junge Generation außen vor bleibt und soziale Probleme wachsen.
Auf Rang zwei von 17 Parteien, die mindestens ein Drittel Frauen nominieren mussten, kam die bisher regierende Fretilin (Revolutionäre Front für die Unabhängigkeit Osttimors) mit Spitzenkandidat Marí Alkatiri (73). Er ist ebenfalls ein bekannter Unabhängigkeitskämpfer und war schon 2002 bis 2006 und 2017 bis 2018 Regierungschef.
Zuletzt hatte Fretilin mit zwei kleinen Parteien koaliert, darunter der People Liberation Party (PLP) von Premier Taur Matan Ruak (66). Jetzt überwanden fünf Parteien die Vierprozenthürde.
„Die bisherige Regierung war aus einem Machtkampf und Patt unter Veteranen hervorgegangen und entsprechend schwach“, sagte Monika Schlicher, Geschäftsführerin und Osttimorexpertin der Stiftung Asienhaus in Köln der taz. „Die Regierung wurde jetzt abgewählt, weil sie nicht geliefert hat.“ So sei die Wirtschaft in der Coronazeit völlig zusammengebrochen.
Die Parteien unterscheiden sich nicht
Gusmão und Alkatiri sind politische Urgesteine der 2002 von Indonesien unabhängig gewordenen Inselhälfte, einer Ex-Kolonie Portugals. Die beiden haben sich persönlich überworfen. Sie unterscheiden sich ideologisch so wenig wie Osttimors Parteien insgesamt, sondern repräsentieren konkurrierende Veteranenfraktionen des Unabhängigkeitskampfes.
„Es mangelt an Alternativen zu einer nicht von Veteranen geführten Regierung“, sagt Schlicher. Mit ihren Machtkämpfen verhinderten die Veteranen einen Generationswechsel. Auch der Staatspräsident und Friedensnobelpreisträger José Ramos-Horta (CNRT) gehört zur Veteranengeneration.
Die sozialen Probleme dominieren derzeit: 42 Prozent der Bevölkerung leben unterhalb der Armutsgrenze, 42 von 1.000 Kleinkindern sterben vor dem 5. Lebensjahr. Timor-Leste lebt von Öl- und Gasexporten, muss sich aber wegen schwindender Vorkommen bald neu erfinden.
Pressefreiheit und friedliche Wahlen
Trotzdem gibt es auch große positive Überraschungen: So belegt Timor-Leste im aktuellen Index der Pressefreiheit von Reporter ohne Grenzen den hervorragenden Rang 10 (Deutschland: 21.) und ist damit führendes außereuropäisches Land. Drohte Osttimor in den Nullerjahren noch in politische Gewalt abzugleiten – Ramos-Horta überlebte 2008 ein Attentat nur knapp –, blieben die letzten drei Wahlen friedlich. Jetzt hatte Fretilin schon zuvor erklärt, eine Niederlage zu akzeptieren.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
Entlassene grüne Ministerin Nonnemacher
„Die Eskalation zeichnete sich ab“
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin
Rückzug von Marco Wanderwitz
Die Bedrohten
Repression gegen die linke Szene
Angst als politisches Kalkül