Parlamentswahl in Neuseeland: Historischer Erfolg für Ardern
Absolute Mehrheit für Labour: Bei der Wahl in Neuseeland hat die Regierungspartei mit Premier Jacinda Ardern einen überwältigenden Sieg errungen.
Premierministerin Jacinda Ardern dankte nach dem klaren Wahlergebnis auch jenen, die nicht Labour gewählt hatten. Ihre Partei werde für alle regieren, versprach sie. „Dies ist keine gewöhnliche Wahl gewesen und es ist keine gewöhnliche Zeit“, sagte sie.
„Wir leben in einer zunehmend polarisierten Welt, einem Ort, wo die Menschen zunehmend die Fähigkeit verloren haben, ihre gegenseitigen Standpunkte zu sehen. Ich denke, bei dieser Wahl haben die Neuseeländer gezeigt, dass das nicht ist, wer wir sind.“
Ardern sieht das klare Ergebnis als Mandat für die Weiterführung ihrer progressiven Politik. Zum ersten Mal seit der Einführung eines neuen Wahlsystems 1996 kann eine Partei wieder ohne Koalitionspartner auskommen. Die bisherige Koalition mit NZ First und den Grünen ist Geschichte.
Ardern gilt als eine der populärsten Politikerinnen der Welt
Die beiden Kleinparteien hatten Labour 2017 zur Macht verholfen. Die Grünen bleiben im Parlament. Die rechtskonservative NZ First dagegen hat ihren Platz aufgrund der Fünfprozenthürde verloren. Ihr Chef Winston Peters, bisher Arderns Stellvertreter, wird voraussichtlich nach 35 Jahren die Politik verlassen.
Judith Collins, Chefin der konservativen Nationalpartei, gratulierte Ardern noch am Samstagabend und gestand ihre eigene Niederlage ein. „Es ist ein herausragendes Ergebnis für die Labourpartei“, sagte die Oppositionsführerin vor Anhängern. Alle Prognosen hatten einen klaren Sieg von Labour und Ardern vorausgesagt. Die neuseeländische Premier ist eine der populärsten Politikerinnen der Welt.
Kritisieren kann man sie allerdings trotzdem. Bei ihrem Amtsantritt vor drei Jahren hatte sie viel versprochen: Kinderarmut reduzieren, Sozialwohnungen bauen, strikterer Umweltschutz. Das meiste ist heute nicht im erhofften Umfang umgesetzt. Aber sogar ihre schärfsten Kritiker loben das Kommunikationstalent der ehemaligen Verkäuferin in einer Imbissbude und studierten Politologin, ihren Zugang zu den Leuten auf der Strasse, ihre „Normalität“.
Worte und Gesten der Versöhnung
Jacinda Ardern besteht aber nicht nur aus Charisma. Sie hat sich vor allem in Krisenzeiten profiliert, Neuseeland ist heute praktisch Covid-frei. Das Land mit fünf Millionen Einwohnern verzeichnete bisher nur rund 1.500 Infektionen, 25 Menschen starben. Experten führen diese Zahlen auf den Umstand zurück, dass es der 40-Jährigen gelungen ist, das Volk von der Notwendigkeit eines frühen und harten Lockdowns zu überzeugen.
Ihre Worte der Versöhnung nach dem Attentat in Christchurch im März 2019, bei dem ein Rechtsextremer 51 Muslime erschossen hatte, sind heute ein Paradebeispiel für eine Politik des Mitgefühls.
Ardern wird in den kommenden Monaten ihr gesamtes Talent brauchen, um die Menschen zusammenzubringen, die Gesellschaft zusammenzuhalten. Die Coronakrise hat auch für die Wirtschaft Neuseelands verheerende Folgen.
Arbeitslosigkeit, kombiniert mit anhaltend bitterer Armut in Teilen der Bevölkerung, und ein extremer Mangel an bezahlbarem Wohnraum – das alles droht die Mittelschicht zu unterminieren. Die Lebensqualität genau jener Menschen, die heute Jacinda Ardern bejubeln, ist gefährdet.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
Krieg in der Ukraine
Geschenk mit Eskalation
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin