Parlamentswahl in Indien: Sieg für Modis Hindunationalisten
Indiens Ministerpräsident wird sich auf eine noch größere Mehrheit im Parlament stützen können. Dabei hielt er seine Versprechen nicht ein.
Dass Modi die Auszählung wirklich anführt, zeichnete sich schon früh ab. Die bisherige Regierungskoalition der BJP wird mit absoluter Mehrheit an der Macht bleiben. Damit gibt sie auch künftig einen Ton an, der Millionen von Nicht-Modi-Wählern Sorgen bereitet. Seit seinem Machtantritt vor fünf Jahren lädt sich die Stimmung im Land religiös auf und entlädt sich gegen Minderheiten. Indien erlebte eine Politik des Trennens. Hindus gegen Muslime, Arm gegen Reich, obere Kasten gegen die untersten. Modi wurde zu Indiens starkem Mann, der sich den Beinamen „Wächter“ gab.
Statt wie früher auf die Wirtschaftspolitik, bei der seine Regierung im Vergleich mit ihren großen Versprechen scheiterte, setzte er jetzt auf Sicherheit. Auch wenn die Arbeitslosigkeit ihren höchsten Stand seit den 70er-Jahren erreichte und die Wirtschaft langsamer wuchs als erhofft, bekommt Modi jetzt eine zweite Amtszeit geschenkt. Das wirkt paradox. Doch in den letzten fünf Jahren hat er es geschafft, der Modi-Welle, mit der er 2014 an die Macht kam, als Marke zu etablieren.
Vom Teeverkäufer zum Premier
„Gemeinsam werden wir ein starkes und integratives Indien aufbauen“, twitterte er am Nachmittag. Doch das überzeugt nicht alle. „Ich bin weder glücklich mit dieser Regierung noch mit dem Wahlausgang“, sagt Poonam Tushamad von der Allindischen Vereinigung der Dalit-Schriftsteller aus Delhi. Die BJP sei dafür bekannt, Menschen verschiedener Kasten und Religionen eher zu trennen als zu vereinen: „Sie versucht, den Zusammenhalt schwächerer Kasten zu brechen.“ Das Aufteilen in verschiedene Identitäten spiele eine wichtigere Rolle als Sachpolitik.
Die BJP wird mit 303 Sitzen in das Unterhaus einziehen. Das sind 21 mehr als bisher. Ihre größte Konkurrentin, die Kongresspartei, konnte die herben Verluste von 2014 kaum auffangen. Im Gegensatz zu Modi, der quasi vom Teeverkäufer zum Premier aufstieg, verkörpert der Kongressführer und Cambridge-Absolvent Rahul Gandhi die alte Politikerdynastie. Die Kongresspartei hat mit 52 Sitzen nur 9 mehr als zuvor. Sie profitierte von Zuwächsen im Punjab und in Südindien, wo sie den Kommunisten Sitze abnahm.
Hatten Indiens gespaltene Kommunisten (CPIM) und CPI) im letzten Parlament noch 10 VertreterInnen, hat sich ihre Zahl jetzt auf 5 halbiert. Im südlichen Kerala gingen Stimmen an den Kongress, in West-Bengalen holte die BJP auf. Hier musste vor allem die dort regierende TMC-Partei von Mamata Banerjee Verluste einstecken. Sie hatte einst von Popularitätsverlust der Linken profitiert, nun ist sie selbst an der Reihe.
Starfaktor für BJP
Für Ashok Dhawale, Vorsitzender der kommunistischen Bauernvertretung, ist das gute Abschneiden der BJP überraschend. „Es ist ein sehr beunruhigendes Ergebnis für die indische Demokratie und den Säkularismus. Die Regierung Modi hat keine ihrer Versprechen gehalten.“ Gewonnen hätten ein chauvinistischer Nationalismus und eine Polarisierung der Gesellschaft.
Ein Mitarbeiter der Kongresspartei, der nicht genannt werden möchte, sagt, Modi habe die Wahl zugespitzt: „Für ihn und Indien oder gegen ihn und Indien.“ Jeder BJP-Gegner wurde so zum Antinationalisten erklärt. Viele hätten sich die Kandidaten in ihren Wahlkreisen nicht einmal angesehen. Sie hätten die Partei gewählt, die für Modi steht. Das Ergebnis verwundert ihn nicht.
Hoffnungsträger wie Atishi, die Kandidatin der Antikorruptionspartei AAP in Delhi oder der Kleinbauern-Unterstützer Nana Patole konnten sich nicht gegen die BJP durchsetzen. Vor allem bei der BJP ging der Starfaktor auf. Frühere Schauspieler, Sänger und Sportler zogen erneut für sie ins Unterhaus. Mit Hoffnung konnten Modi bei dieser Wahl nicht punkten. Das musste er auch nicht. Die Eskalation des Konflikts mit Pakistan Anfang des Jahres führte dazu, dass sich viele Menschen hinter der BJP vereinten. Doch wer wird den „Wächter“ der Nation beobachten, wenn die Regierung weiter demokratische Institutionen wie das Oberste Gericht oder die Bundespolizeibehörde CBI einschränkt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Müntefering und die K-Frage bei der SPD
Pistorius statt Scholz!
Unterwanderung der Bauernproteste
Alles, was rechts ist
Rentner beleidigt Habeck
Beleidigung hat Grenzen
Urteil nach Tötung eines Geflüchteten
Gericht findet mal wieder keine Beweise für Rassismus
Aktienpaket-Vorschlag
Die CDU möchte allen Kindern ETFs zum Geburtstag schenken
Waffen für die Ukraine
Bidens Taktik, Scholz’ Chance