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Parlamentswahl in GrönlandEin Regierungswechsel und eine Absage an Trump

Die Regierungspartei wird abgestraft, die Sozialliberalen erringen einen Erdrutschsieg. Sie setzen auf eine durchdachte Unabhängigkeit von Dänemark.

Wahlparty in Grönland: Der Vorsitzende von Demokraatit Jens-Frederik Nielsen (M.) feiert mit seinen Anhängern Foto: Mads Claus Rasmussen/Ritzau Scanpix Foto/AP/dpa

Härnösand taz | Überraschend klare Wahlniederlage für die bisherige Regierung von Grönland: Die Koalition aus der linken Partei Inuit Ataqatigiit (IA) des Regierungschefs Múte B. Egede und der sozialdemokratischen Siumut verliert die Hälfte ihrer Sitze im Parlament.

Explosionsartig zugelegt hat hingegen die sozialliberale Demokraatit, die mit 30 Prozent der Stimmen der große Wahlsieger ist – sie erhielt 9 Prozent der Stimmen bei der letzten Wahl. Damit wird sie nun zehn statt der bisherigen drei Sitze in der Volksvertretung mit ihren insgesamt 31 Sitzen bekommen.

Demokraatit steht wie fünf der sechs angetretenen Parteien für eine künftige Selbstständigkeit Grönlands, will diese aber durch Investitionen in eine größere wirtschaftliche Selbstständigkeit gut vorbereiten. So betonten sie im Wahlkampf etwa die zentrale Bedeutung von zwei weiteren neue Flughäfen, neben dem neuen von Nuuk, für die Entwicklung von Tourismus, Frischfisch-Export und Bergbauwirtschaft.

Punkten konnten die Demokraten, die vor gut 20 Jahren von einem abtrünnigen Sozialdemokraten gegründet worden waren, offenbar mit ihrer Betonung darauf, dass Grönland anders ist als Dänemark und deshalb eine eigene Form von Sozialstaat braucht – und vor allem weniger Bürokratie. „Wir müssen die Macht über unser eigenes Land übernehmen und eine Gesellschaft aufbauen, die unserer eigenen Mentalität und Kultur entspricht“, hieß es in ihrem Wahlprogramm.

Alltagsprobleme statt Trump

Laut Grönland-Expertin Mikaela Engell, die lange Vertreterin der dänischen Regierung in Nuuk war, gründet der Erfolg genau darauf, dass die Partei nicht die Unabhängigkeitsfrage oder Donald Trumps Androhungen, Grönland zu kaufen, in den Mittelpunkt gestellt hätte. Wie sie am Morgen im Dänischen Rundfunk DR erklärt, seien sie im Wahlkampf konsequent nah am Alltag der Menschen geblieben.

Allerdings legt auch Naleraq, die einzige Partei, die für eine schnelle Loslösung von Dänemark steht, massiv zu: Mit 25 Prozent der Stimmen (2021: 12 Prozent) wird sie zweitstärkste Kraft. Dass sie nicht noch stärker wurde und die große Mehrheit insgesamt bei den Parteien mit bedächtigeren Selbstständigkeitsplänen liegt, dürfte dänischen Kommentatoren zufolge die Regierung in Christiansborg mit Erleichterung zur Kenntnis nehmen.

Die frühere Volkspartei Siumut verlor die Hälfte der Zustimmung und ging von 28 auf 14 Prozent. Nach diesem schlechtesten Wahlresultat aller Zeiten sagte Vorsitzender Erik Jensen, er sei bereit, dafür die volle Verantwortung zu übernehmen.

Der bisherige Regierungschef Múte B. Egede, dessen Partei IA von 36 Prozent auf 21 Prozent der Stimmen absackte, machte in einem Facebook-Post klar, dass er auch unter den neuen Bedingungen weiter Politik machen will: „Wir sind gespannt zu hören, was die Parteien mit in die Verhandlungen bringen. Wir sind bereit.“

Wahl war wegen Trump vorgezogen worden

16 Sitze braucht es in Grönland für die Mehrheit. Egedes IA hat schon einmal mit den jetzigen bürgerlichen Wahlsiegern in einer Koalition gesessen. Aber es gibt viele Variationsmöglichkeiten. Demokraatit hat es jetzt in der Hand.

Die Wahl in Grönland war von Egede vorgezogen worden, angesichts der Zuspitzungen um die immer wieder von US-Präsident Donald Trump geäußerten Besitzansprüche auf die Insel. Nicht zuletzt deshalb war das internationale Interesse nun besonders groß. Schon vorher war aber klar, dass die übergroße Mehrheit der Grönländer von Trumps Übernahmewünschen nichts hält.

Wahlumfragen hatte es aber zuvor nicht gegeben, weshalb bis zum Ende der Stimmenauszählung in der Nacht zu Mittwoch niemand wusste, dass die Mehrheiten sich derart verändern würden.

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