Parlamentswahl in Griechenland: Das Blaue vom Himmel

Vollmundige Versprechungen am Fuße der Akropolis: Der konservative Spitzenkandidat Kyriakos Mitsotakis stimmt seine Anhänger auf den Wahlsieg ein.

Kyriakos Mitsotakis am Rednerpult - im Hintergrund die Akropolis

Geschickte Inszenierung: Kyriakos Mitsotakis vor antiker Kulisse Foto: Pascal Beucker

ATHEN taz | Wer am Donnerstagabend wissen wollte, wo sich gerade die Athenerinnen und Athener aus den „besseren Verhältnissen“ tummeln, der hätte auf der Apostolou-Pavlou-Fußgängerzone im Stadtteil Thissio fündig werden können. Hierhin hatte die Nea Dimokratia (ND) zu ihrer zentralen Kundgebung geladen, um sich vor der malerischen Kulisse der Akropolis auf den absehbaren Wahlsieg am Sonntag einzustimmen.

In den aktuellen Umfragen liegt die nationalkonservative und neoliberale Partei zwischen 35,7 und 42,5 Prozent – und damit weit vor der linken Nochregierungspartei Syriza von Ministerpräsident Alexis Tsipras. Dank des 50-Sitze-Bonus für den Wahlsieger hat die ND beste Aussichten auf die absolute Mehrheit. Entsprechend hervorragend war die Stimmung der in brütender Hitze Versammelten, die begeistert Griechenland-Fahnen schwenkten.

Da störte es auch nicht sonderlich, dass sich das Charisma und die rethorischen Fähigkeiten ihres Spitzenkandidaten Kyriakos Mitsotakis in Grenzen halten. Dessen zentrale Botschaft: Wenn erstmal Syriza abgewählt ist, wird alles besser.

Mitsotakis kommt aus einer alten liberal-konservativen Politdynastie: Vater Konstantinos war bereits Ministerpräsident, sowohl Großvater wie Urgroßvater waren Abgeordnete. Die ältere Schwester Dora Bakogianni war Kultur- und Außenministerin als auch Bürgermeisterin von Athen – ein Job, den im September ihr Sohn Kostas Bakoyannis übernehmen wird.

Kyriakos Mitsotakis selbst diente dem bislang letzten ND-Premier Andonis Samaras als Minister für Verwaltungsreform und E-Government. Zur Unterstützung von Mitsotakis wohnte denn auch der im Januar 2015 abgewählte Samaras ebenso der Wahlveranstaltung bei wie der Ex-Spitzenkandidat Vangelis Meimarakis, der gegen den Linken Tsipras im September 2015 verloren hatte.

Mitsotakis punktet mit Steuersenkungen

In seiner Rede versprach Mitsotakis seinem dankbaren Publikum das Blaue vom Himmel. Vor allem punktete er mit der Ankündigung drastischer und umfassender Steuersenkungen: von der Mehrwert- über die Immobilien-, die Gewerbe- und die Dividendensteuer bis zur Unternehmenssteuer – alles soll kräftig runter. Wie die damit verbundenen staatlichen Einnahmeverluste kompensiert werden sollen, blieb hingegen völlig nebulös.

„Anstelle von Steuern und Abgaben entscheiden wir uns für Investitionen und neue, gut bezahlte Arbeitsplätze“, verkündete Mitsotakis, ganz so als gäbe es Griechenlands Rekordverschuldung überhaupt nicht.

Mit der gegenüber der EU eingegangenen Verpflichtung, bis 2022 einen jährlichen Primärüberschuss im Staatshaushalt von 3,5 Prozent zu erwirtschaften, sind seine Versprechungen auf jeden Fall unvereinbar. Aber wen schert das schon? Dass der stramme Wirtschaftsliberale auch verspricht, Sozialleistungen und Renten nicht zu kürzen, sollten die Betroffenen allerdings besser nicht glauben.

Der Auftritt von Mitsotakis vermitelt eine Vorstellung davon, wie es der Nea Dimokratia – im Verbund mit der sozialdemokratischen PASOK – gelingen konnte, Griechenland in den Abgrund zu wirtschaften. Dass es nicht Syriza, sondern seine Partei war, die Hellas in die tiefe Krise geführt hat, darüber sprach der ND-Frontmann an diesem Abend lieber nicht.

Aber in einem Interview wurde der 51-jährige Wirtschaftswissenschaftler in dieser Woche dazu befragt. Er denke, dass „diese Diskussion“ über das, was damals passiert ist, „für die Bürgerinnen und Bürger nicht sehr interessant“ sei, antwortete Mitsotakis schmallippig. Und fügte hinzu: „Ich denke, es ist an der Zeit, nach vorne zu schauen, lassen Sie die Historiker, Ökonomen diskutieren, warum das Land bankrott ging.“

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.