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Parlamentswahl in GeorgienDemoaufruf nach der Auszählung

Nach der Auszählung von knapp 70 Prozent der Stimmen liegt die Regierungspartei Georgischer Traum vorn. Die Opposition will die Wahl nicht anerkennen.

Anhänger*innen der Partei von Ex-Präsident Saakaschwili verfolgen seine Rede Foto: Zurab Tsertsvadze/ap

Tiflis (dpa/afp) | Bei der Parlamentswahl in Georgien liegt die Regierungspartei Georgischer Traum nach Angaben der Zentralen Wahlkommission vorn. Am Morgen nach der Auszählung von 68 Prozent aller Wahllokale kam sie demnach auf 48,6 Prozent der Wähler*innenstimmen. Die Vereinte Nationale Bewegung erreichte den Zwischenergebnissen zufolge 26,9 Prozent. Der Georgische Traum hatte bereits die Abstimmungen in den Jahren 2012 und 2016 gewonnen.

Jetzt droht dem Land ein politischer Streit. Bereits in der Nacht zum Sonntag erklärte der Chef der oppositionellen Georgischen Arbeiterpartei Schalwa Natelaschwili, er werde das Wahlergebnis nicht anerkennen und forderte Neuwahlen. Oppositionsführer und Ex-Präsident Michail Saakaschwili warf der Regierungspartei am Sonntag vor, die Wahlergebnisse „massiv zu fälschen“. Seine Partei Vereinte Nationale Bewegung rief die Menschen für den Nachmittag zu einer Demonstration auf.

Die oppositionellen Parteien hatten sich für den Urnengang am Samstag zusammengeschlossen, um die seit 2012 regierende Partei des Milliardärs Bidsina Iwanischwili abzulösen.

Der Chef der Regierungspartei, der Multimilliardär Bidsina Iwanischwili, hatte georgischen Medien zufolge bereits kurz nach Schließung der Wahllokale gesagt, seine Partei habe „die Wahlen zum dritten Mal in Folge gewonnen“. Dagegen sprach Saakaschwili von einem Triumph der Opposition. Die Oppositionsparteien müssten „nun eine Regierung der nationalen Einheit bilden“.

Abstimmung erfolgte nach neuem Wahlrecht

Saakaschwili wird in seiner Heimat per Haftbefehl wegen mutmaßlichen Machtmissbrauchs gesucht. Er lebt im Exil. Ein Wahlsieg der Opposition könnte ihm ermöglichen, nach Georgien zurückzukehren und dennoch einer möglichen Gefängnisstrafe zu entgehen.

Mehr als 3,5 Millionen Menschen in der Südkaukasus-Republik waren am Samstag zu der Abstimmung aufgerufen. Die Wahlbeteiligung lag der Wahlkommission zufolge bei 56,1 Prozent.

Abgestimmt wurde nach einem neuen Wahlsystem, das bei massiven Protesten gefordert worden war. 120 Abgeordnete wurden demnach per Verhältniswahlrecht gewählt. Der Rest wurde in den jeweiligen Wahlkreisen nach dem Prinzip der Mehrheitswahl bestimmt. Sollte die erforderliche Mehrheit hierbei nicht erreicht werden, gibt es eine zweite Runde. Das alte Wahlsystem galt als kompliziert.

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3 Kommentare

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  • auch in Georgien wird die Wahl nicht anerkannt, ist ein bekanntes Muster, das wohl weltweit in Mode gekommen ist: Ukraine, Venezuela, Weißrussland, Georgien. Die jeweiligen Wahlverlierer erkennen die Wahl nicht an, ernennen sich selbst zum Präsidenten (Venezuela). Durch gelenkte Demonstrationen sind es optisch 100.000de.



    Im Vergleich zur Gesamtbevölkerung eine Minderheit. Auffällig ist, daß alle vom Westen unterstützt werden. Warum wohl? Politik eben, auch die Geheimdienste, die in allen Staaten vertreten sind, mischen hier mit. In Georgien haben die USA auf jeden Fall handfeste Interessen, die derzeitige Regierung zu beseitigen. Seit 2003 gibt es ein Militätabkommen, das der USA erlaubt, die georgische Infrastruktur uneingeschränkt zu nutzen. Der 2003 herrschende Präsident wird heute mit Haftbefehl gesucht.

    • @schoenerrhein:

      Auf Ihrer Liste fehlen noch einige Länder wie Bolivien, wo die Proteste der Verlierer den Präsidenten ins Exils jagten.

      Schade, dass die taz nicht sagt, warum die Verlierer prostetieren: Wahlbeobachter sollen an mehreren Orten direkte Wahlfälschungen festgestellt haben. So sollen an vielen Wahllokalen nach der Schließung der Lokale im Namen der nicht gekommenen Wahlberechtigten leere Wahlzettel ausgefüllt und in die Wahlurnen gelegt worden sein.