Parlamentswahl in Bulgarien: Halbgarer Sieg der Konservativen
Die Partei von Ex-Premier Borissow wird stärkste Kraft, verfehlt aber die absolute Mehrheit. Die Bildung einer tragfähigen Koalition dürfte nicht leicht werden.
SOFIA dpa | Kein Ende der politischen Instabilität im ärmsten EU-Land Bulgarien: Die zweite vorgezogene Parlamentswahl binnen 17 Monaten brachte am Sonntag ein zersplittertes Parlament aus acht verfeindeten Parteien. Der konservative Wahlsieger GERB verfehlte die absolute Mehrheit deutlich: „GERB gewann die Wahl, nicht aber die Macht“, schrieb die Zeitung Sega in ihrer Montagsausgabe. Die Bildung einer neuen Regierung in Sofia dürfte außerordentlich schwierig werden.
Die zuletzt oppositionelle GERB von Ex-Regierungschef Boiko Borissow bekam nach dem vorläufigen amtlichen Ergebnis 32,6 Prozent der Stimmen. Sie konnte sich damit leicht gegenüber 2013 (30,53 Prozent) verbessern, hat aber klar die absolute Mehrheit verfehlt.
Der große Verlierer sind die Sozialisten (BSP). Nach dem Scheitern der sozialistisch dominierten Regierung im Sommer ist die BSP mit 15,29 Prozent auf einen Tiefpunkt gestürzt. Im Vorjahr hatte die älteste bulgarische Partei noch gut 26 Prozent erhalten.
Die Partei der türkischen Minderheit DPS – zuletzt Koalitionspartner der Sozialisten – legte kräftig von 11,3 auf 14,9 Prozent zu. Das Endergebnis könnte sogar höher ausfallen, wenn die in der Türkei abgegebenen Stimmen komplett ausgezählt sind. Fünf weitere Parteien – davon zwei nationalistische – schafften nach den vorläufigen Angaben der Zentralen Wahlkommission die Vier-Prozent-Hürde für den Einzug ins Parlament. Die Wahlbeteiligung erreichte mit vorläufig rund 50 Prozent einen Negativrekord.
Sozialisten wollen auf jeden Fall in die Opposition
Unter den nun im Parlament vertretenen Parteien dürfte allein der konservative und antikommunistische Reformblock um Ex-EU-Kommissarin Meglena Kunewa als Koalitionspartner der GERB in Frage kommen. Eine Regierungsmehrheit wäre dennoch nur mit einer weiteren, dritten Partei möglich. Zudem sind die GERB und der Reformblock zerstritten. Die Sozialisten haben angekündigt, in die Opposition ziehen zu wollen.
Interimsregierungschef Georgi Blisnaschki warnte die Parteien davor, die Regierungsbildung zu verzögern. „Alles hängt vom gesunden Verstand der wichtigen politischen Kräfte ab“, sagte der ehemalige Juraprofessor dem Staatsradio am Montag.
Das vom bürgerlichen Staatschef Rossen Plewneliew im August eingesetzte Übergangskabinett kann tatsächlich die vielen Probleme in Bulgarien nicht lösen. Es hat nur begrenzte Vollmachten und kann keine neuen Gesetze ins Parlament einbringen. Internationale Verträge wie etwa der über einen IWF-Kredit dürfen die Interimsminister ebenfalls nicht abschließen. Das von Korruption geplagte Bulgarien steckt in seiner tiefsten wirtschaftlichen und sozialen Krise seit dem EU-Beitritt 2007.
Nicht zuletzt ist das einstige Ostblockland noch immer fast komplett von den Erdgaslieferungen aus Russland abhängig. Die neue Regierung in Sofia dürfte eine wichtige Rolle bei der Umsetzung des Gasleitungprojekts South Stream mit Russland spielen. Die Vorbereitungen für den Bau der bulgarischen Strecke wurden im Juni eingefroren, da die Regierung der Sozialisten die EU-Normen nicht eingehalten hatte. Der Wahlsieger GERB möchte South Stream nur dann in Bulgarien bauen lassen, wenn alle von Brüssel gemachten Auflagen erfüllt sind.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!