Parlamentarier in Großbritannien: Neue Regeln für Nebenjobs

Nach Korruptionsvorwürfen stimmt das britische Unterhaus dafür, Zweitjobs von Abgeordneten stärker zu regulieren. Premier Johnson räumt Fehler ein.

House of Parliament mit vorbeifahrendem Bus.

House of Parliament in London Foto: Jason Langley/imago

LONDON taz | Nach zwei Wochen voller Korruptionsvorwürfe gegen britische Unterhausabgeordnete und Enthüllungen ihrer teilweise aufsehenerregenden Nebenjobs, hat das britische Unterhaus spät am Mittwoch neue Regeln beschlossen. Demnach können die Par­la­men­ta­rie­r:in­nen nun nicht länger uneingeschränkt Zweitjobs nachgehen.

Das Unterhaus stimmte am Mittwoch für ein neues Regelwerk, das Volksvertretern bezahlte Tätigkeiten als politische Berater untersagen soll. Allerdings wurde zuvor eine schärfer formulierte Vorlage der oppositionellen Labour-Partei abgewiesen, die weitere Zweitjobs verboten hätte. Sie hätte zudem einen strengeren Zeitrahmen für die Umsetzung der Reform vorgegeben, nachdem der zuständige Parlamentsausschuss bis zum 31. Januar neue Regeln aufgestellt haben sollte.

Vor diesem Hintergrund erhob die Opposition schwere Vorwürfe gegen die konservativen Tories: Diese hätten Entwürfe verwässert, die einen noch größeren Unterschied gemacht hätten. Laut Recherchen der britischen Zeitung The Guardian haben 90 der 360 konservativen Abgeordneten bezahlte Tätigkeiten neben ihrer Parlamentsarbeit, aber nur 5 der 199 Labour-Parlamentarier:innen.

Die Debatte ins Rollen gebracht hatte die Affäre um den langjährigen konservativen Hinterbänkler Owen Paterson Anfang November. Wenn es nach dem zuständigen Parlamentsausschuss gegangen wäre, hätte Paterson wegen illegaler Lobbyaktivitäten für den nordirischen Pharmagroßkonzern Randox 30 Tage suspendiert werden sollen. Doch stattdessen hatte die Regierung unter dem konservativen Premier Boris Johnson mit ihrer absoluten Mehrheit versucht, die Regeln des Disziplinarprozederes im Parlament durch ein neues System zu ersetzen.

Nicht nur kam es deswegen zu Vorwürfen auch aus den eigenen Reihen. Johnsons Regierung brach damit auch die parlamentarische Konvention, dass Änderungen dieser Art nur mit Bekräftigung der Opposition vorgenommen werden dürften. Unter heftiger Kritik machten bereits am nächsten Tag Kabinettsmitglieder den Rückzieher, während Paterson von seinem Amt zurücktrat.

Opposition erhebt schwere Vorwürfe: Tories hätten Vorschläge verwässert

Das involvierte Unternehmen Randox hatte während der Pandemie Regierungsaufträge für Schutzkleidung in Höhe von über einer halben Millionen Euro erhalten. Kri­ti­ke­r:in­nen sprechen von einem ungleichen Auswahlverfahren, bei denen von konservativen Po­li­ti­ke­r:in­nen angepriesene Unternehmen 10 Mal höhere Chancen für Aufträge als andere gehabt hätten. Das führte zu Bestellungen mangelhafter Schutzkleidung und unzureichender Covid-19-Tests. Randox erhielt unter anderem Aufträge, ohne ausreichende maschinelle Kapazitäten zu haben.

Weitere Enthüllungen über einen konservativen Abgeordneten hatten die Debatte zuletzt noch angefacht: So kam heraus, dass der ehemalige Generalstaatsanwalt Sir Geoffrey Cox neben seiner Parlamentstätigkeit mehr als eine Million Euro als Rechtsberater für die Bahamas eingenommen hatte.

Als am Mittwoch die wöchentliche Fragestunde des Premiers im Parlament begann, war Johnson eines der wenigen Regierungsmitglieder, das sich für die Ereignisse der letzten zwei Wochen noch nicht entschuldigt hatte. Dafür wurde er von Oppositionsführer Keir Starmer kräftig in die Mangel genommen. Doch am späten Nachmittag soll Johnson im Kreis der konservativen Hin­ter­bänk­le­r:in­nen Verantwortung übernommen haben: Nach Berichten bezeichnete er das eigene Vorgehen um den Fall Paterson als Autounfall auf gerader Spur.

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