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Parität in Bremer BürgerschaftReform mit hohen Hürden

Die Koalition möchte mehr Frauen im Parlament. Ein Gutachten soll nun ausloten, ob und wie ein Paritätsgesetz juristisch möglich wäre.

Die Vertretung des Volkes? Bremische Bürgerschaft konstituiert sich nach der Wahl 2019 Foto: Michael Bahlo/dpa

BREMEN taz | Das Ziel der drei Regierungsfraktionen ist „Geschlechterparität im Parlament“. So steht es im Koalitionsvertrag von SPD, Grünen und Linken. Jetzt haben die Fraktionen zusammen einen Bürgerschafts-Antrag eingebracht, der das Vorhaben ins Rollen bringen soll – aber langsam. Der Bürgerschaftspräsident solle erst einmal ein „externes Rechtsgutachten“ in Auftrag geben, das die Umsetzungsmöglichkeiten einer Paritätsregelung im Bremischen Wahlgesetz auslotet. So steht es im Antrag.

Die Vorsicht ist mit Blick auf das Scheitern der Paritätsgesetze in Brandenburg und Thüringen zu erklären: Gerichte hatten diese im letzten Jahr kassiert. Der Thüringer Landtag hatte 2019 die Quotierung der Landeslisten beschlossen.

Dies schränke aber das gesetzlich verankerte passive Wahlrecht sowie die Freiheit der Parteien ein, ihre Listen aufzustellen, sagten die sechs Richter des Thüringer Verfassungsgerichtshofs, die das Gesetz gegen drei Stimmen ihrer Kol­le­g*in­nen kippten. Die Brandenburger Rich­te­r*in­nen folgten der Entscheidung.

Jüngst stellte zudem das Bundesverfassungsgericht fest, dass es keine Pflicht gebe, für geschlechterparitätische Wahllisten zu sorgen. Aus dem Demokratieprinzip lasse sich nicht ableiten, dass Parlamente mit gleich vielen Männern und Frauen besetzt sein müssten, so die Ver­fas­sungs­rich­te­r*in­nen letzte Woche. Aus Artikel drei des Grundgesetzes zur Gleichberechtigung ergebe sich außerdem keine Garantie auf „Ergebnisgleichheit“, sondern auf „Chancengleichheit“.

„Die Perspektive von Frauen ist manchmal anders als die von Männern“

Antje Grotheer, SPD-Fraktion

Geg­ne­r*in­nen der Urteile sagen, dass der Gleichstellungsgrundsatz bei den Entscheidungen nicht genug gewichtet worden wäre. Juristischer Tenor ist aber, dass diese Gesetze nur mit einer Verankerung des Paritätsprinzips in der jeweiligen Landesverfassung oder im Grundgesetzes realisierbar sind. Allerdings braucht es dafür Zweidrittel-Mehrheiten.

Bremen will sich dem Thema nun mit Bedacht annehmen. Dabei steht das Land im Bundesvergleich nicht schlecht da: Mit 37 Prozent Frauenanteil in der Bürgerschaft steht man hinter Hamburg auf Platz zwei. Schlusslicht ist Sachsen-Anhalt mit gerade mal 21 Prozent. Seit der letzten Bundestagswahl ist auch im Bundestag die Quote auf 31 Prozent gesackt.

„Wir müssen deutlich mehr Frauen in die Parlamente bekommen“, sagt Antje Grotheer, Sprecherin für Gleichstellung der Bremer SPD-Fraktion. „Die Perspektive von Frauen ist manchmal anders als die von Männern“, das müsse sich im Parlament abbilden. Auch, weil dieses die Bevölkerung „repräsentativ abbilden“ sollte, ergänzt Maja Tegeler, Sprecherin der Linksfraktion.

Bei den Linken wird in dieser Legislaturperiode sichtbar, dass selbst mit paritätisch besetzten Landelisten eine entsprechende Besetzung des Parlaments nicht gegeben sein muss: Weil zwei der Abgeordneten Senatorinnen wurden, ist die Fraktion weit weg von einem Frauenanteil von 50 Prozent. Nachgerückt waren nämlich Männer.

Um sicher zu gehen, dass einem ein Paritätsgesetz nicht wie in Thüringen und Brandenburg um die Ohren fliegt, habe man sich entschieden, das Gutachten in Auftrag zu geben. Es soll prüfen, ob und wie ein Paritätsgesetz mit der Landesverfassung und dem Grundgesetz vereinbar wäre. Also mit der Freiheit der Parteien, ihre Listen aufzustellen, erklärt Grotheer, die Juristin ist, und mit dem Demokratieprinzip.

Wenn es verfassungsrechtliche Bedenken gibt, heißt es in dem Antrag, solle auch geprüft werden, welche Änderungen in der Landesverfassung für ein Paritätsgesetz notwendig wären. Und wenn ein Gesetz kommen sollte, müsse es dem Staatsgerichtshof zur Prüfung vorgelegt werden. Dieses würde am Ende nicht nur für den Landtag, sondern auch für die Stadtbürgerschaft, die Beiräte und die Stadtverordnetenversammlung in Bremerhaven gelten.

Eine Bremer Besonderheit ist auch in diesem Kontext das Wahlgesetz. Egal, wie paritätisch Wahllisten aufgestellt sind, „kann das Wahlergebnis immer anders aussehen“, sagt Grotheer. Denn durch die Stimmen, die Bremer Wäh­le­r*in­nen auf ihre Lieb­lings­kan­di­da­t*in­nen verteilen können, können sie die Reihenfolge auf den Listen durcheinander bringen.

Landesverfassung macht Hoffnung

Es müsse also „sorgfältig geprüft werden, ob man zum Listenwahlsystem zurück gehen muss“, sagt Grotheer. Teil des Gutachtens sei daher, herauszufinden, was eine Paritätsregelung für das Wahlrecht genau bedeuten würde, so Grotheer. „Und dann müssen wir politisch prüfen, ob wir das wollen.“ Der SPDlerin ist wichtig, dass „wir das öffentlich breit diskutieren“.

Eine zweite Besonderheit in Bremen sei der „sehr starke Auftrag zur Gleichstellung in der Verfassung“, sagt Grotheer. Dort wird das Land „verpflichtet, für die gleichberechtigte Teilhabe der Geschlechter in Staat und Gesellschaft durch wirksame Maßnahmen zu sorgen“. Zum Vergleich: Im Grundgesetz steht, dass der Staat die Durchsetzung der Gleichberechtigung „fördern“ soll. Aber in Thüringen, wo das Gesetz kassiert worden war, ist die Formulierung ähnlich stark wie die Bremer.

Die CDU-Fraktion sieht nach den bisherigen Urteilen „keinen verfassungskonformen Weg“ für ein solches Gesetz, sagt Landesgeschäftsführer Heiko Strohmann. Aber auch ohne so ein Gesetz beabsichtige man, „eine paritätische Liste für die kommenden Bundestags- und Bürgerschaftswahlen aufzustellen“. Der Landesvorstand bilde die Parität bereits ab.

Der Bremer Antrag muss nun erst einmal angenommen werden. Ein Gutachten, so schätzt Grotheer, dauere dann etwa ein Vierteljahr – sofern sich schnell ein*e Gut­ach­te­r*in findet. Ob eine etwaige Neuregelung schon zur nächsten Wahl im Jahr 2023 gelten könnte, sei fraglich.

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1 Kommentar

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  • 8G
    85198 (Profil gelöscht)

    Ich bin skeptisch, was dieses Anliegen angeht. Die Partei LINKS hat in Wien z.B. deutlich mehr Frauen als Männer aufgestellt. Da braucht es keine vorgeschriebene Geschlechterquote. Grüne, Linke und SPD könnten das auch machen und damit direkt für mehr Beteiligung von Frauen am politischen Prozess sorgen.



    Es wäre allerdings auch auch eine Geschlechterquote denkbar, die sich am Prozentsatz der Männer/Frauen/Diversen orientiert, die in einer Partei Mitglied sind. Dabei läge der Antidiskriminierungsgrundsatz zugrunde. Dann läge die Verantwortung der Gesetzgeber*innen darin, Frauen und Diverse in gleichem Maße zu einer Beteiligung am politischen Prozess zu motivieren, in dem Männer dazu motiviert sind/werden.