Papstbesuch im Libanon: Das perfekte Image für Leo XIV.
In Libanon wird das katholische Kirchenoberhaupt bejubelt. Doch es gibt auch Kritik: Denn in den kriegsgebeutelten Süden des Landes reist er nicht.
Zwei Militärflieger, Kanononesalven und jubelnde Massen begrüßen Papst Leo XIV. bei seiner Landung in Beirut. Voller Freude hatten die Menschen in Libanon den Papst erwartet, nicht nur die Christen im Land. Der Weg vom Flughafen zum Präsidentenpalast führte durch den schiitisch geprägten Süden der Hauptstadt. Dort versammelten sich viele Menschen am Sonntag, um dem Oberhaupt der Katholiken zuzuwinken.
Die 16-jährige Nour Zein El-Din steht mit libanesischer Flagge am Straßenrand. Die Schülerin ist gar nicht Christin, sondern Muslima. „Der Papstbesuch ist natürlich wichtig“, sagt sie. „Wir sind ein Volk, vereint, wir kennen keine Spaltung und heißen alle Religionen willkommen.“ Die Politik nutze den Konfessionalismus, um die Gesellschaft zu trennen. „Aber wir lassen uns nicht spalten.“ Der Papstbesuch werde „ganz sicher etwas verändern – nicht nur symbolisch“.
Sie lebt in Bourj El Barajneh – dem Viertel, in dem Familien während des Kriegs mit Israel im vergangenen Herbst zwangsvertrieben wurden. Unweit der Straßenecke klafft ein Krater. Dort wurde Ex-Hisbollah Chef Hassan Nasrallah im September 2024 getötet.
Die Hafenexplosion von 2020, die Wirtschaftskrise seit 2019, der Krieg mit Israel seit 2023 – Libanon dürstet nach Stabilität und Frieden. Bürgerinnen und Bürger aller Religionen hoffen, dass die Friedensbotschaft des Papsts Wirklichkeit wird.
Die israelischen Angriffe halten an
Am Märtyrerplatz, an dem im bis 1990 wütenden Bürgerkrieg die Frontlinie verlief, wird das deutlich. Beim interreligiösen Treffen im Festzelt sitzen 16 religiöse Vertreter. Hinter ihnen auf der Leinwand: ein Olivenbaum. Papst Leo XIV. preist den Olivenbaum als Symbol für „Langlebigkeit, Widerstandsfähigkeit“ und „die Fähigkeit, selbst in den feindlichsten Umgebungen zu gedeihen“.
Alle Vertreter preisen den Libanon als Land der Koexistenz. Nur zwei adressierten den Elefanten im Zelt: Die israelischen Angriffe, die trotz ausgerufener Waffenruhe weitergehen. 65.000 Menschen sind noch immer vertrieben. Das Land sei durch die „israelische Aggression“ schwer getroffen, sagte Scheich Ali al-Chatib, Vizepräsident des Obersten Islamischen Schiitenrats. „Wir glauben an den Staat. Aber in dessen Abwesenheit waren wir gezwungen, uns zu verteidigen“, so der Schiit.
Der Geistliche hatte den Papst zuvor explizit in den Südlibanon, den Süden Beiruts und das Bekaatal eingeladen. Deren Bewohner*innen müssen „durch israelische Angriffe tägliches Leid ertragen.“ Ein Besuch würde dem Papst die Realität vermitteln, so al-Khatib.
„Ich bin enttäuscht, dass der Papst nicht in den Süden gekommen ist“, sagt die 24-Jährige Mona Hashem. Sie sitzt auf einem Hartplastikstuhl in dem Festzelt, trägt ein Kopftuch und filmt einen singenden Mädchenchor. Die 24-Jährige arbeitet für die muslimische Imam-Sadr-Organisation und hat geholfen, die Sängerinnen nach Beirut zu begleiten. Hashem kommt aus dem Dorf Qlailah, rund 20 Kilometer von der Grenze zu Israel entfernt. Es war Ziel israelischer Luftangriffe. Hashem musste mit ihrer Familie fliehen. Mittlerweile lebt sie wieder in ihrem Haus. „Ich denke, er hätte kommen sollen, um den echten Libanon zu sehen“, sagt sie.
Gesucht: „Liebe und Frieden“
Yehya Abdel Khalek sitzt in der zweiten Reihe. Dass alle Oberhäupter der Konfessionen den Papst treffen, sei entscheidend „um zu verdeutlichen, dass die Libanesen ein Volk sind, das zusammenhält“, sagt er. Der Druse studiert Islamisch-Christliche Beziehungen und betrachtet den Besuch als „wichtige Gelegenheit, an diesem historischen Tag dabei zu sein“. Er hofft, der Besuch führe zu „Liebe und Frieden.“ Außerdem hofft er darauf, dem Papst die Hand zu schütteln.
Zum Ende des Besuches segnet der Papst die Menschen in Beirut bei einer Messe unter freiem Himmel. Die 44-jährige Janet Dizon hat ein Schild gebastelt: „Willkommen, Papst Leo, wir lieben dich.“ Seit 16 Jahren lebt die Philippinerin in Libanon, arbeitet als Haushaltshilfe. Während des Kriegs hat sie geholfen, für vertriebene Familien zu kochen.
Sie betet dafür, dass sie ihre zwei Kinder auf den Philippinen wiedersehen kann. Sechs Jahre sei der letzte Besuch her. „Wenn ich rausfliege und wieder ins Land komme, muss mein Arbeitgeber eine hohe Strafe zahlen“, sagt sie. Bei einer Messe ergriff eine ausländische Arbeiterin das Mikro und machte den Papst auf die widrigen Arbeitsbedingungen ausländischer Arbeiter*innen aufmerksam – eine Disruption des perfekten Images.
Eine Fassade, aufgebaut für den Papst
Saubere Bühnen, frisch asphaltierte Straßen, ausgeleuchtete Kirchen bei Nacht: Das Papamobil fährt durch die christlichen Berge zwischen grünen Bäumen. Für ihn wird getanzt und gesungen. Doch ein beträchtlicher Teil des Landes liegt hinter dieser für den Papst bereiteten Fassade.
Zu den zerbombten Häusern und herausgerissenen Olivenbäumen im Süden fährt er nicht. Deshalb sind auch die Christen sauer, die in den Dörfern im Süden wohnen. „Gesegnet seien die Friedensstifter“, ist das Motto des Papstbesuchs. Mit seinem Abflug fragt sich: Wer segnet diejenigen, die den Preis für den Krieg zahlen?
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert