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Panzer für die UkraineGeländegewinne im Inneren

Pascal Beucker
Kommentar von Pascal Beucker

Frankreichs Präsident Macron inszeniert sich mit Panzerlieferungen. Davon profitieren auch jene, die Kanzler Scholz hierzulande Zögerlichkeit vorwerfen.

Der französische Präsident Emmanuel Macron, hier bei seiner Neujahrsansprache im Élysée-Palast Foto: Sarah Meyssonnier/reuters

E ins muss man Emmanuel Macron lassen: Wenn es um Inszenierung geht, ist der französische Präsident dem deutschen Bundeskanzler haushoch überlegen. Während Olaf Scholz das Image des Zauderers nicht los wird, lässt Macrons Ankündigung, der Ukraine irgendwann eine nicht näher bezifferte Zahl ausgemusterter oder vor der Ausmusterung stehender Spähpanzer des Auslaufmodells AMX-10 RC zu liefern, nicht nur den ukrainischen Präsidenten Wolodimir Selenski von einer „Führungsrolle“ Frankreichs und einem „neuen Level“ der militärischen Unterstützung schwärmen.

Auch wenn er es besser weiß, sind Selenskis überschwängliche Dankesworte verständlich. Dass die Ukraine Interesse an jeglichem Militärgerät hat, mit dem es der russischen Aggression widerstehen kann, ist nachvollziehbar. Das gilt auch für Selenskis unablässiges Bemühen, Druck auf die westlichen Staaten auszuüben, dem angegriffenen Land mehr und bessere Waffen zu liefern.

Von einer „Führungsrolle“ Frankreichs kann gleichwohl nicht die Rede sein. Gemessen an den militärischen Fähigkeiten und der Wirtschaftskraft zeigt sich die Macron-Regierung vielmehr äußerst zurückhaltend. Mit Rüstungslieferungen im Wert von 472 Millionen Euro rangiert sie weit hinter denen der USA, Großbritanniens und auch Deutschlands, das auf 2,24 Milliarden Euro kommt. Trotzdem erwecken jetzt die üblichen Verdächtigen aus den Reihen der Union, der FDP und der Grünen gleich wieder den Eindruck, als unterstütze Deutschland im Gegensatz zu Frankreich die Ukraine nur unzureichend.

So nutzen der Militärexperte h. c. Anton Hofreiter oder die notorische Marie-Agnes Strack-Zimmermann den Anlass, von Scholz die Lieferung von Leopard-2-Panzern zu fordern. Dabei dürften sie wissen, dass auch Frankreich weiterhin keinen vollwertigen Kampfpanzer liefern will. Der französische Leclerc bleibt der Ukraine aus gutem Grund ebenso weiter vorenthalten wie der US-amerikanische Abrams-Tank M1A2. Aber was bringt schon Besonnenheit, wenn es um innenpolitische Geländegewinne geht.

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Pascal Beucker
Inlandsredakteur
Jahrgang 1966. Arbeitet seit 2014 als Redakteur im Inlandsressort und gehört dem Parlamentsbüro der taz an. Zuvor fünfzehn Jahre taz-Korrespondent in Nordrhein-Westfalen. Seit 2018 im Vorstand der taz-Genossenschaft. Sein neues Buch "Pazifismus - ein Irrweg?" ist gerade im Kohlhammer Verlag erschienen.
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4 Kommentare

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  • "...der Militärexperte h. c. Anton Hofreiter oder die notorische Marie-Agnes Strack-Zimmermann...", kann es auch etwas weniger polemisch gehen gegen zwei Politiker mit der klarsten und realistischsten Einschätzung zur Verteidigungsfähigkeit der Ukraine?

    • @Rinaldo:

      Das sind die, die meinen, die Ukraine müsse gewinnen?



      Ähm, kleiner Tipp: Bachmut wird gerade umzingelt.



      Und es fehlen noch 150.000 Mann aus der Mobilisierung, die noch nicht eingesetzt wurden.



      Kurz: Der echte Krieg kommt noch.

      • @Kartöfellchen:

        Die Ukrainer werden seit Monaten in Bakhmut eingekesselt. Die 150.000 Mann wird Russland in die Schlacht schmeißen, gleichzeitig strömen aber auch der Ukraine zehntausende neue Soldaten zu, viel davon von der NATO ausgebildet. Dazu kommt immer mehr westliche Ausrüstung. Der Kampfwert der Zwangsmobilisierten Russen muss sich auch noch zeigen.

  • Das widerspricht aber der bisher in der (ganzen) Breite der deutschen Presse bemühten Erzählung, es sei alles so abgesprochen. Die man natürlich einfach so glauben müsste, was wie immer leichter fällt, wenn man's einfach will, denn belegt wird davon wie gewohnt nichts. Keinesfalls einfach so annehmen sollte man dass das zunächst allerdings überraschende Tempo jetzt schon soviel implizierte, viel wahrscheinlicher ist dass sich alle drei Regierungen längst darauf einstellten, d.h. für den Fall, dass einer freiwillig vorangeht. Dann müsste man nat. nachziehen und sich genau darauf einzustellen, war genug Zeit. Ein paar Dutzend Fahrzeuge aus Überschuss oder Reserve sind für solche Länder dann auch kein Hexenwerk. Falls das so gemeint war, und dann schließe ich mich dem Eindruck an, ein (eher) Alleingang Macrons mit nat. auch innenpol. Kalkül. Wenn überhaupt animiert durch (für ihn) bereits sichtbare oder auch zugeflüsterte Bewegungen seitens der Amerikaner, denn da ist das gerüchteweise schon länger am Köcheln. Manche hatten es bereits bei Selenskis Besuch erwartet, und der wohl auch. Kalkül (im Ergebnis tausendfach unnötig tödlich) aber ja wohl v.a. diese homöopathischen Dosen, das wird sich kaum in Wahrheit nach tagesaktueller "Lage" richten, sondern man möchte das auch entzerren und allgemein entschleunigen. Zumindest aus Sicht der USA kaum noch aus Angst vor Eskalation. Eher der Befürchtung sonst wirklich bald bei den Flugzeugträgern zu sein. ;) Und so abwegig ist das gar nicht.

    Was er zu den richtigen Panzern schreibt, unterstellt, ist aber insg. abzulehnen. Würde mich auch nicht wundern, wenn er das Gleiche schon zu diesen Geräten schrieb, vielleicht ist bald wieder'n Refresh fällig. Ich hoffe Scholzens Imagepflege ist da nicht gewichtiger als der Schutz von Menschenleben. Die USA liefern (lange) noch so vieles andere; und sowas wie (schwerste) Kampfpanzer müssten auch erst mal über den "Teich"! Die Abrams stehen hier nicht etwa schon lustig rum. Leoparden schon.