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Palästinensisches Baby stirbt bei AnschlagZündelnde Siedler

Ein palästinensisches Kleinkind verbrennt bei lebendigem Leib in einem Dorf bei Nablus. Israels Premier Netanjahu spricht von „Terror“.

Der 18 Monate alte Ali Dawabscheh wird zu Grabe getragen. Foto: reuters

Jerusalem taz | Der 18 Monate alte Ali Dawabscheh ist bei einem Brandanschlag auf das Haus seiner Eltern bei lebendigem Leib verbrannt. Zwei bis vier Täter, vermutlich radikale israelische Siedler, schlichen sich Freitag Nacht in das palästinensische Dorf Duma bei Nablus. Sie warfen mehrere Molotowcocktails durch die offenen Fenster des Familienhauses und auf ein benachbartes Haus, das zur Tatzeit leerstand. Mit letzter Kraft gelang es dem Familienvater, seine Frau und seinen vierjährigen Sohn, aus den Flammen zu ziehen. Alle drei trugen schwere Verbrennungen davon und schweben in Lebensgefahr.

Im Westjordanland wird der Fall des kleinen Ali schon mit dem Mordanschlag auf Mohammad Abu Khdeir verglichen, der vor einem Jahr von radikalen Israelis lebendig verbrannt worden war. Der 15jährige musste aus Vergeltung für die Entführung dreier israelischer Jugendlicher sterben. Sein Tod und das massive Vorgehen der israelischen Armee im Westjordanland führten im Sommer zum Krieg zwischen Israel und der Hamas im Gazastreifen.

Aus Sorge vor Unruhen rief der israelische Sicherheitsapparat die höchste Alarmstufe aus und stationierte vier Brigaden im Westjordanland, wo es am Nachmittag zu einer Schießerei ohne Verletzte kam. In der Jerusalemer Altstadt flogen im Anschluß an das Freitagsgebet Steine und Flaschen auf die Grenzpolizei.

Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu verurteilte den Mord in Duma, bei dem es sich „in jeder Beziehung um einen Terroranschlag handelt“. Er sprach der Familie Dawabscheh sein Mitgefühl aus und versicherte, eine schnelle Aufklärung voranzutreiben.

Davidstern an der Hauswand

Der Brandanschlag steht vermutlich in Verbindung mit dem Abriß zweier illegal errichteter Häuser in der Siedlung Beit El diese Woche. Die Täter hinterließen einen Davidstern an den Häuserwänden, die Aufschrift „Es lebe der König, der Messias“ und das Wort „Rache“,. Das deutet auf die extremistische Siedlergruppe „Preisschild“ hin, die immer dann ihre „Rechnung“ präsentiert, wenn Israels Regierung gegen die jüdischen Zivilisten im Westjordanland entscheidet.

„Die israelische Polizei muss verstehen, dass wir einen hohen Preis für jeden Zwischenfall dieser Art fordern“, zitierte die liberale Tageszeitung Haaretz einen „Preisschild“-Aktivisten nach der Räumung illegaler Siedlerbauten. Israelische Menschenrechtsorganisationen kritisierten wiederholt, dass Israel zu wenig gegen die jüdischen Extremisten unternehme.

Seit August 2012 gab es „sechs schwere Brandanschläge“, von denen „nicht einer aufgeklärt ist“, berichtete die Menschenrechtsorganisation Betselem. In einer Pressemitteilung der PLO (Palästinensische Befreiungsorganisation) ist von „11.000 Siedlerübergriffen seit 2004“ die Rede.

Palästinenserpräsident Machmud Abbas nannte die Brandstiftung ein „Verbrechen gegen die Menschlichkeit“ und kündigte an, den Tod Ali Dawabschehs vor den Internationalen Strafgerichtshof zu bringen. Abbas machte die israelische Regierung für den Gewaltakt verantwortlich. Israel sei in der Lage gewesen, „die Gewalt der Siedler zu stoppen“, wenn das gewollt worden wäre, stattdessen aber ermutige man in Jerusalem die radikalen Siedler.

Widerstand um jeden Preis

Die islamistische Hamas-Führung im Gazastreifen rief die Palästinenser im Westjordanland, zu Protestaktionen auf. Jeder Israeli sei, infolge des Todes von Ali Dawabscheh, „ein legitimes Ziel“, hieß es. Die Führung im Westjordanland sei aufgefordert, die politischen Häftlinge aus den Gefängnissen zu entlassen. „Es gibt keinen anderen Weg als den Widerstand, um die Verbrechen der Besatzung zu beenden.“ Erst vor wenigen Wochen hatte die Autonomiebehörde in Ramallah einhundert Hamas-Aktivisten inhaftiert.

Israels Präsident Reuven Rivlin zeigte sich „beschämt und schockiert“ über den Tod des palästinensischen Kleinkindes und räumte ein, dass Israel „mit dem Phänomen jüdischer Terror zu lasch umgegangen sei.

Auch Naftali Bennett, Chef der Siedlerpartei „Das jüdische Haus“, distanzierte sich von dem „unerträglichen Mord“ an dem kleinen Jungen. Die EU bezeichnete den „kaltblütigen Mord“ als „tragische Erinnerung an die dramatische Situation in der Region, die die dringende Notwendigkeit für eine politische Lösung im palästinensisch-israelischen Konflikt hervorhebt“. Die EU wiederholte ihre „starke Opposition gegen die israelische Siedlungspolitik, die die Zweistaatenlösung erheblich gefährdet“.

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25 Kommentare

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  • Zur Erinnerung: Vor rund einem Jahr wurde die Entführung und der Mord an drei israelischen Jugendlichen (zwei davon erst 16) von den Palästinensern mit dem Verteilen von Süßigkeiten auf den Straßen öffentlich gefeiert.

    • @Werner W.:

      Was soll das jetzt heissen? Dass mit dieser Erinnerung an die Verteilung von Süßigkeiten der Mordanschlag nicht mehr ganz so schlimm ist?

    • @Werner W.:

      woran Sie sich so genau erinnern, weil Sie bei den halwayat ja selbst kräftig zugelangt haben, gelle?

  • Hier mein, zugegebenermaßen nicht ganz ernst gemeinter Vorschlag zur Lösung des Konflikts.

     

    Gebt allen Israelis die deutsche Staatsbürgerschaft, siedelt sie nach Deutschland um, meinetwegen nach NRW, nehmt mit was zu transportieren ist, versetzt das Land (Israel) in den Zustand von 1945, sprengt alle Bauwerke die nach 1945 erbaut wurden, schüttet die Brunnen zu, die nach 1945 gebohrt wurden, brennt alle Plantagen nieder die nach 1945 angelegt wurden. Die israelische Armee wird teil der Bundeswehr.

     

    Übergebt den Palästinensern das Land, so wie es 1945 war. Sollen sie damit glücklich werden, wir werden es dann hier bei uns mit den Israelis.

    • @S. aus F.:

      noch 'nen bißchen pep dazu:

      NRW oder meinetzwegen auch Hessen in den zustand von 1945 versetzen.

      und: zh''l hätte erst mal ne zwilisatorische pause... bis zum 5.5.1950.

      • @christine rölke-sommer:

        Am 05.05.1950 wurde Bhumibol Adulyadej in Bangkok als Rama IX. zum König von Thailand gekrönt. Schön das dir das Datum bekannt war, ich musste erst google befragen.

      • @christine rölke-sommer:

        uups: bis 5.5.1955!

        • @christine rölke-sommer:

          Hat sich denn seither in NRW so wirklich viel geändert? Jedes mal wenn ich in diesem Bundesland bin denke ich, ich habe dir Ruinen einer vergessenen Welt entdeckt. Zugewucherte antike Paläste, und jeden Moment kommt Indiana Jones vorbei, auf der Suche nach irgendwas.

  • alos, nur keine Panik, nun ist das Kind zwar tot, die Familie im Krankenhaus, aber wir in D haben andere Sorgen, erst mal den Urlaub geniessen dann wird Steini wieder da runter fahren und ein paar Gespräche führen!

  • Nein, wer hätte das gedacht! Es trifft auch Babys...

     

    "Erst vor wenigen Wochen hatte die Autonomiebehörde in Ramallah einhundert Hamas-Aktivisten inhaftiert."

     

    Verstehe ich das richtig? Die Autonomiebehörde greift durch, dann werden palästinensische Kinder angezündet und die Hamas kann sich wieder anbieten.

    Passt doch wieder super für israelische Scharfmacher.

    • @friedjoch:

      Reagieren Sie so "empört" auch beim Tod von Israelis? Gestern gerade 3 Soldaten auf der Straße von eiem Araber mit Auto angefahren und ins Koma befördert.

    • @friedjoch:

      " Israeli civilians set fire to dozens of Palestinian homes...."

       

      Eigentlich müßten die "Israeli civilians" "Israeli terrorists" genannt werden.

  • und hier https://www.middleeastmonitor.com/news/middle-east/20109-israel-to-build-800-new-housing-units-in-west-bank

    die offizielle antwort auf den abriß zweier häuser in Beit El: mann baut mehr davon.

  • Die pressemitteilung von b'tselem im wortlaut (englisch+hebräisch) http://www.btselem.org/press_release/20150731_killing_of_baby_in_duma http://www.btselem.org/hebrew/press_releases/20150731_killing_of_baby_in_duma

     

    ich denke, die macht klar, was von den krokodilstränen der israelischen regierung zu halten ist.

    • @christine rölke-sommer:

      Sie haben Recht.

    • @christine rölke-sommer:

      Tatsache ist, daß eine massive Suche nach den Tätern stattfindet. Und wenn die gefunden werden, werden nach denen keine Straßen benannt und Sonderrenten vergeben (wie das standardmäßig bei ihren Freunden geschieht) sondern sie werden vor Gericht gestellt.

      • @Werner W.:

        im übrigen und ganz grundsätzlich: sich mit staatlicher politik von rechtsverweigerung, rechtsbeugung und rechtsverletzung zu beschäftigen macht keinen spaß. egal, ob es um die politik des eigen oder auch eines nicht-eigenen staates geht.

        so was wie Ihren letzen satz können Sie sich also in zukunft schenken.

        • @christine rölke-sommer:

          Dann lassen Sie es doch:)

          Der Tag hat 24 Stunden und jeder kann in diesem Land selber entscheiden wie er diese füllt.

          • @silvia 2nd:

            um solchen juristischen geistesgrößen wie Merkel-Netanyahu oder Ihnen das feld zu überlassen?

            ganz bestimmt nicht!

      • @Werner W.:

        ach ja? massive suche?

        so was wie brother's keeper mit ausgangssperren, hausdurchsuchungen (inklusive haus+landverwüstungen), massenhaften festnahmen vor allem der MK's und anderer zivilgesellschaftlicher häuptlinge und der hilltop-youth?

         

        wen wollen Sie denn damit veräppeln?

        • @christine rölke-sommer:

          Wo sind die Belede für Ihre Behauptungen?

          • @silvia 2nd:

            erinnerungsschwäche?

            die stehen weltweit in den zeitungen des letzten sommers zu lesen!

            • @christine rölke-sommer:

              Eine lückenlose Beweisführung ist hör gefordert.

              Ein schwammiger Beweis auf irgendwelche Zeitungen beeindruckt nicht.

              • @silvia 2nd:

                wo doch in israelischen zeitungen immer so schwammiges+israelfeindliches zeuch zu lesen steht...

  • Wie lang soll denn noch von einer „Zweistaatenlösung“ gesprochen werden? Bis den Palästinensern noch ein Dorf bleibt? Die Entwicklung schreitet unaufhörlich voran.