Palästinenser im Hungerstreik: Khader Adnan kann jederzeit sterben

Zum zehnten Mal ist der Palästinenser in Israel in Haft. Nicht ein einziges Mal wurde er angeklagt oder vor Gericht gestellt.

Ein Polizist läuft an einem Plakat mit dem Bild von Khader Adnan vorbei

Solidarität mit Khader Adnan in einem Fußballstadion in Gaza. Foto: ap

JERUSALEM taz | Ein ordentliches Verfahren oder die Freiheit fordert Khader Adnan, andernfalls will er seinen Hungerstreik fortsetzen. Seit dem 5. Mai nimmt der 37-jährige Palästinenser nur noch Wasser zu sich. Zum zehnten Mal sitzt er hinter Gittern, zehnmal ohne jeden Prozess und insgesamt beinah sechs Jahre lang.

Am 8. Juli letzten Jahres ist er wieder verhaftet worden. Einmal in sechs Monaten wird er seither einem Militärrichter vorgeführt, der ihn für weitere je sechs Monate in die Administrativhaft schickt. Viermal ist er in einen offenen Hungerstreik getreten und war beim letzten Mal, im April 2012, nach 66 Tagen seiner Verweigerung, Nahrungsmittel aufzunehmen, tatsächlich auf freien Fuß gekommen. Es war der längste palästinensische Hungerstreik. Kurzfristig hatten sich 2.000 Häftlinge solidarisch angeschlossen.

Adnan konnte nur durchhalten, weil er Vitamine, Mineralien und Zucker aufnahm, was er diesmal verweigert. Seit Anfang Juni liegt er im Krankenhaus, inzwischen soll er so entkräftet sein, dass er sich kaum noch bewegen kann. „Khader Adnan kann nun jeden Augenblick sterben“, so sollen Ärzte seinem Anwalt Dschawad Boulus versichert haben.

Die Inhaftierungen ohne Anklage, ohne Prozess und mit massiv eingeschränktem Besuchsrecht gehören zu den umstrittenen Maßnahmen, mit denen Israel gegen politisch aktive Palästinenser vorgeht. Laut aktueller Statistik sitzen derzeit noch 5.800 Palästinenser hinter Gittern, davon 414 in Administrativhaft, inklusive acht Mitglieder des palästinensischen Parlaments.

Strategischer Kopf des Islamischen Dschihad

Amnesty International (AI) berichtet über „grausame und entwürdigende Behandlung“ der Gefangenen, „auch als Strafmaßnahme für Hungerstreiks“. Seit zehn Jahren fordert AI, der Praxis der Administrativhaft ein Ende zu machen. Die Gefangenen riskieren Besuchs- und Fernsehverbote, wenn sie sich einem Hungerstreik anschließen.

Trotzdem kam es in den israelischen Gefängnissen immer wieder zu umfangreichen Aktionen im Kampf gegen die Administrativhaft. Zum letzten Mal verweigerten über 70 Männer so lange die Nahrungsaufnahme, dass sie auf stationäre Behandlung angewiesen waren.

UN-Generalsekretär Ban Ki Moon appellierte noch während des Hungerstreiks an Israel, die Häftlinge zu entlassen oder vor Gericht zu stellen. Israel hält trotzdem weiter an der Praxis fest, außerdem ermöglicht eine Rechtsreform seit vergangenem Jahr bei akuter Lebensgefahr die Zwangsernährung.

Auf aktuellen Fotos sieht er aus wie ein alter Mann, er trägt einen langen Bart und ist nur noch Haut und Knochen. Wenige Monate vor seiner letzten Verhaftung brachte seine Frau Drillinge zur Welt, insgesamt haben die beiden sechs Kinder.

Israel wirft Adnan vor, dem Islamischen Dschihad anzugehören, konkrete Mittäterschaft bei Terroranschlägen werden ihm bislang nicht zur Last gelegt. Sollte Adnan im Gefängnis sterben, so verkündete die Bewegung Islamischer Dschihad in Gaza Ende letzter Woche, dass wäre das Waffenstillstandsabkommen in Gefahr, das im vergangenen August den Krieg im Gazastreifen beendete. „Adnan liebt sein Leben“, erklärte am Samstag sein Anwalt, „aber wenn er Märtyrer sterben sollte, würde er es begrüßen.“

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.