Pakistan im Strudel der Gewalt: Entsetzen über Tötung von Barbieren

Unbekannte erschießen in einer früheren Taliban-Hochburg junge Barbiere. Islamisten werden verdächtigt. Institut meldet starken Anstieg der Gewalt.

Eine Menschengruppe im Hintergrundund einige verstreute Schuhe im Vordergrund auf sandigem Boden.

Fast alltäglicher Terror: Anschlag in Mastun (Baluchistan) am 29. September 2023 mit 52 Toten und 50 Verletzten Foto: Jamal Taraqai/epa

BERLIN taz | Am Mittwoch ist im Nordwesten Pakistans der paschtunische Politiker Mohsin Dawir einem Mordanschlag entgangen. Auf das Auto des 39-jährigen früheren Parlamentsabgeordneten eröffneten Unbekannte in der Region Tappi in Nordwasiristan das Feuer, als er auf dem Weg zu einem Wahlkampfauftritt war, wie Postings im Kurznachrichtendienst X vermeldeten. Der als Kritiker des Militärs bekannte Politiker blieb unverletzt und nahm an der Veranstaltung im Vorfeld der Parlamentswahl am 8. Februar teil.

Doch der Anschlag beunruhigt viele, die ohnehin noch über eine abscheuliche Gewalttat am Vortag entsetzt sind. Ebenfalls in Nordwasiristan waren am Dienstag früh sechs junge Barbiere auf einem Feld beim Dorf Moski tot aufgefunden worden.

Zu der Tat bekannte sich bisher niemand, doch fällt der Verdacht auf die pakistanischen Taliban (TTP), die dort einst ihre Hochburg hatten, oder auf den regionalen Ableger des Terrornetzwerkes „Islamischer Staat“ (IS).

Die Tat weckt zudem Erinnerungen an frühere Zeiten, als Friseursalons Anschlagsziele von Extremisten waren. Viele Islamisten sehen das Rasieren von Bärten als „unislamisch“ an.

Barbiere waren aus wirtschaftlichen Gründen gekommen

Laut der liberalen pakistanischen Zeitung The Express Tribune waren die getöteten Barbiere alle unter 30 Jahre alt und aus dem Süden des Landes zugezogen. Sie sollen auf dem Basar von Mir Ai Friseurläden betrieben haben. In der Nacht zu Dienstag sollen sie entführt und dann auf einem Feld regelrecht mit Schüssen exekutiert worden sein. Die meisten Opfer waren Familienväter.

Das pakistanische Militär vermeldete in der Region seinerseits die Tötung von vier mutmaßlichen militanten Islamisten, die es für terroristische Anschläge verantwortlich macht. Bei ihnen sollen auch Waffen und Sprengstoff gefunden worden sein. Zuletzt waren am 22. Dezember in Wana im angrenzenden Südwasiristan fünf Arbeiter und ein Wächter im Schlaf von Unbekannten erschossen worden.

Die jüngsten Gewalttaten scheinen einen Trend zu bestätigen, den das Pakistan Institue for Conflict and Security Studies (PICSS) in einem am 1. Januar veröffentlichten Bericht festgestellt hat. Demnach sind im Jahr 2023 die Angriffe islamistischer oder separatistischer Extremisten landesweit um 70 Prozent von 380 auf 645 gegenüber dem Vorjahr angestiegen. Die Zahl der Todesopfer stieg von 539 auf 976 und damit um 81 Prozent.

Institut: 54 Angriffe pro Monat

Der Durchschnitt von monatlich 54 Angriffen (gegenüber 32 im Vorjahr) ist der höchste seit 2015. 2019 waren es gar nur 12 gewesen. Laut PICSS wäre die Zahl 2023 wohl noch höher gewesen, hätte das Militär nicht auch seine Aktivitäten verstärkt. Demnach konnten 612 Verdächtige getötet und 625 festgenommen werden.

Die politisch motivierte Gewalt könnte im Vorfeld der Wahlen am 8. Februar sogar noch weiter zunehmen. Pakistans unabhängige Menschenrechtskommission hat am Urnengang erhebliche Zweifel angemeldet. Die Chance freier und fairer Wahlen sei aufgrund von Manipulationen im Vorfeld gering, hatte die Kommission am Montag bei einer Pressekonferenz etwa mit Blick auf die Zurückweisung der Kandidaturen des früheren Premierministers Imran Khan und vieler Politiker seiner Partei PTI erklärt, berichtete die Agentur ap.

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