PR-Programm für hintergangene First Ladys: Stand by your man
Die Dramaturgie ist streng geregelt: Wenn ein mächtiger US-Politiker eine Sex-Affäre gesteht, darf die Ehefrau nicht fehlen - stumm und huldvoll im Hintergrund.
Am Mittwoch ist Eliot Spitzer von seinem Amt als Gouverneur des Staates New York zurückgetreten. Der beliebte Demokrat war 2006 gewählt worden und für sein strenges Image als Saubermann bekannt. Bei einer Steuerfahndung fiel auf, dass Spitzer seit 6 Jahren Kunde bei einem Prostitutionsring war und bis zu 80.000 Dollar dafür aufgewendet hat. Seine Frau Silda Wall-Spitzer stand beim Rücktritt an seiner Seite.
Nichts elektrisiert Amerikas Medien so sehr wie ein Sexskandal. Präsidenten gehen und kommen. Kriege werden gewonnen oder verloren. Gletscher schmelzen und Ozonschichten verflüchtigen sich. Wenn jedoch ein mächtiger Politiker eine außereheliche Affäre gesteht, schwule Männer auf der Flughafentoilette um Sex anhält oder wie jüngst im Fall von Eliot Spitzer, dem Gouverneur des Staates New York, sich im Washingtoner Hotel "Mayflower" regelmäßig mit Luxusprostituierten trifft, stehen die Zeichen auf Sturm - ob in der seriösen Nachrichtenberichterstattung oder im Boulevard-TV. Seit am Montag die New York Times von der Spitzer-Affäre berichtete, hat die übliche Dynamik sich überbietender, anrüchiger Details und schriller Expertenmeinungen epische Ausmaße angenommen, die an "Monicagate" erinnern, jenes mediale Melodrama von 1998 um Bill Clinton und seine Praktikantin Monica Lewinsky.
Zur dramaturgischen Anatomie eines Sexskandals gehört in Amerika immer auch jemand, der damit eigentlich gar nichts zu tun hat: die betrogene Ehefrau. Es ist inzwischen zur Tradition geworden, dass sie stumm neben ihren Ehemännern stehen, wenn diese vor laufenden Fernsehkameras mit zusammengepressten Lippen ihre offizielle Mea Culpa abgeben. So musste auch New Yorks First Lady Silda Wall-Spitzer an der Seite ihres Gatten durchs Blitzlichtgewitter nach Canossa gehen, geradeso als ob sie sich auch entschuldigen müsse. Die zeitpolitische Relevanz dieses Gangs wird deutlich, wenn man an die betrogene First Lady zurückdenkt, die immer noch gute Chancen hat, selbst Präsidentin zu werden. Hillary Clinton hatte die Rolle der Düpierten geradezu paradigmatisch mit huldvoller Strenge ausgefüllt und während jener langen "Monicagate"-Monate bei zahlreichen Interviews, Fototerminen und Fernsehansprachen unnachlässig hinter ihrem Ehemann gestanden. Mit konsequenter Hand holte sie den öffentlichen Aufruhr in den Bereich des Privaten zurück, und obwohl ihr anders zumute war, bekannte sie sich in einer Presseerklärung zu ihrer Ehe und rang sich sogar dazu durch, in ihrer Autobiografie zu schreiben, dass sie trotz ihrer Wut an der Beziehung festhielt, weil niemand sie "besser verstehen und besser zum Lachen bringen" gekonnt habe als Bill.
Dass diese Form der strategischen Solidarität etwas spezifisch Amerikanisches ist, wird deutlich, wenn man daran denkt, wie nonchalant die ehemalige Präsidentengattin Sarkozy ihrem Mann eins ausgewischt hat, als sie es nicht einmal für nötig erachtete, sich beim transatlantischen Antrittsdinner mit Präsident Bush sehen zu lassen und stattdessen lieber shoppen ging.
Im Falle von Silda Wall-Spitzer ist dieses Ritual allerdings etwas ins Zwielicht geraten. In den beiden Auftritten des Paares war nämlich eine offensichtlich traumatisierte und beschämt wirkende Partnerin zu sehen, die entweder stumm auf den Boden oder betreten auf ihren Ehemann schaute. Zum ersten Mal schien es, dass man ein Gefühl für den Menschen hinter der betrogenen First Lady bekam, und zum ersten Mal fragten Amerikas Medien: Warum nimmt sie eigentlich an dieser Parade öffentlicher Demütigung teil?
Für die Antwort auf diese Frage schien in den letzten Tagen Dina Matos-McGreevey alleinig verantwortlich zu sein, die Exfrau des ehemaligen Gouverneurs von New Jersey, der 2004 aufgrund einer schwulen Beziehung mit einem von ihm ebenso protegierten wie drangsalierten Mitarbeiter von seinem Amt zurücktreten musste. Matos-McGreevy, die damals mit einem irritierend strahlenden Lächeln auf das Rücktrittspodium getreten war, scheut heute kein mediales Forum: weder die zwielichtige Fox-Celebrity-Sendung "Inside Edition" noch die renommierte Meinungsseite der New York Times, um ihre Sympathie für Wall-Spitzer auszudrücken und bekannt zu geben, dass man als Betrogene in solchen Situationen von politischen Beratern auf die Stand-by-your-man-Bühne gedrängt wird und dies schließlich, wenn auch widerwillig, im Namen seiner Töchter tue. Diese sollten später nicht denken, die Mutter habe den Vater im schwierigsten Moment seines Lebens im Stich gelassen.
Man würde meinen, dass die beste Lebenslektion, die First Ladys ihren Töchter mit auf den Weg geben können, die Einsicht ist, dass man mit einem solchen, durch die eigene, egoistische Fahrlässigkeit verursachten Schlamassel in der Regel allein klarkommen muss. Und, dass sie sich derlei kindische Anstalten von zukünftigen Partnern besser nicht gefallen ließen. Die überzeugendere Erklärung für die solidarische Zwangshandlung ist, dass Matos-McGreevey, Clinton und Spitzer zu tief im Schlamm steckten, als dass es einen Ausweg gegeben hätte. Auch wenn die Tätigkeitsbeschreibungen von Gouverneur und Präsident anders ausgeschrieben sind: In den Vereinigten Saaten wird bekanntermaßen kein einzelner Kandidat, sondern ein präsentables Ehepaar für diese Jobs gewählt. Nach Jahren als First Lady sitzen diese Frauen in der PR-Falle.
Ihre eigenen, oft extrem erfolgreichen Karrieren haben sie zugunsten einer unbezahlten Nebenrolle aufgegeben. Wall-Spitzer zum Beispiel hatte ihren Mann Anfang der Achtziger an der Harvard Law School kennengelernt, die sie mit einem herausragenden "magna cum laude" abschloss. Danach wurde sie prominente Mitarbeiterin einer renommierten New Yorker Anwaltskanzlei, bei der sie mehr verdiente als ihr Mann. Eliot Spitzer erzählte später in Interviews gerne, dass es "eine große Inspiration" für ihn gewesen sei, als Silda 1994 ihren Job an den Nagel hängte, um ihn bei seiner Kampagne für das Amt des New Yorker Generalstaatsanwalts zu unterstützen.
Gleiches gilt für Clinton: Yale-Absolventin und vor ihrer Zeit im Weißen Haus eine der bestbezahlten Anwälte ihrer Generation. In traumatischen Situationen wie diesen befolgt man dann das bekannte Skript und macht das, was man sowieso tagaus, tagein gemacht hat: den Politmann an seiner Seite unterstützen, vor allem, wenn das heißt, der bessere Mann sein zu müssen. Auf dem Spiel stehen die lebenslänglich erbrachten Opfer, das Krisenmanagement der mitunter verbleibenden Macht und die Anforderungen einer zugleich puritanischen und lüsternen Medienkultur, die nach Familienzusammenhalt und Prostituiertenskandal zugleich verlangt. Und niemandem mehr die Diskretion angedeihen lassen würde, die in ähnlichen Situationen einer Eleanor Roosevelt oder einer Jackie Kennedy entgegengebracht wurde. Da beißt man die Zähne schon mal zusammen.
Die amerikanischen Komiker haben an der Spitzer-Affäre dieser Tage genauso viel Freude wie ihre angeblich seriösen Medienkollegen und treffen damit oftmals besser ins Schwarze des moralischen Zeitgeists. Die Mainstreammedien scheinen seit der Lewinsky-Affäre wenig dazugelernt zu haben und spielen die alte Leier vom schockierenden Skandalcharakter des nichtnormativen, also bigamen, "ungewöhnlichen" und mitunter nicht heterosexuellen Sex.
Dem Großteil der Öffentlichkeit ist das allerdings egal. Bill Clinton gilt heute noch als der beliebteste Präsident Amerikas. Fröhlich werden daher auf allen amerikanischen TV-Sendern Best-of-Videoclips von Rücktritts- und Durchhalteerklärungen aus dem letzten Vierteljahrhundert gespielt, bei denen die betrogenen Politikerfrauen den gefallenen Helden bangen Beistand geleistet haben. David Letterman witzelte bezüglich des Prostituitionsskandals auf CBS: "Ich dachte, das hätte Bill Clinton schon vor Jahren legalisiert." Joy Behar tönte mit einem zynischen Lacher auf der morgendlichen Frauen-Talkshow "The View" auf ABC: "Viagra zerstört unsere Regierung." Und Samantha Bee von Comedy Centrals "The Daily Show" forderte: "Wenn überhaupt, dann lasst doch die Nutte auf dem Podium stehen, die will doch eh jeder sehen!"
Wenn etwas tröstlich sein kann für Silda Wall-Spitzer, dann ist es die Historie. Dina Matos-McGreevey ist inzwischen eine Bestsellerautorin und eine gefragte Medienpersönlichkeit. Die Scheidungsgerichte sind sowieso auf ihrer Seite. Ein Beispiel kann sich Wall-Spitzer auch an ihrer Bekannten Hillary nehmen. Diese monierte einmal, sie sei "nicht irgendeine Frau, die ihrem Mann wie Tammy Wynette zur Seite steht", in einer Anspielung auf den Country-Hit "Stand by Your Man". Doch indem sie genau das tat, rettete sie ihrem Bill die bevorstehende Präsidentschaft und sich selbst die Möglichkeit zur jetzigen Kandidatur.
Zwar haftet ihr seither der Ruf einer knallharten Kalkulatorin an, die aus einem derartigen Debakel das Beste für sich zu machen verstand, aber wenn überhaupt, wird der Spitzer-Skandal positive Auswirkungen auf ihren Wahlkampf haben. Bereits in der Texas-Debatte konnte sie mit dem Hinweis auf ihre schmerzhafte Lebensgeschichte und mit verstärktem Opfer-Spielen gegenüber Barack Obama punkten. Und wenn der Spitzer-Skandal eine Folge auf dessen Kampagne hat, dann die, dass die Amerikaner generell noch ein bisschen skeptischer gegenüber der ganzen Weiße-Weste-Saubermann-Inszenierung geworden sind.
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