Oxfam-Studie zu Nachhaltigkeitssiegel: Süße Bananen und bittere Arbeit
Rainforest Alliance ist eines der populärsten Siegel für Nachhaltigkeit. Doch sind die Arbeitsbedingungen auf zertifizierten Plantagen wirklich so gut?
Berlin taz | Das hören Verbraucher gern: Farmen, die das Nachhaltigkeitssiegel der US-Umweltorganisation Rainforest Alliance haben, „verringern den Einsatz von chemischen Mitteln“. So steht es auf der Internetseite der Initiative mit dem grünen Frosch als Logo. Und: „Sie sorgen für das Wohlergehen ihrer Arbeiter und deren Familien.“
Deshalb klebt der Frosch bereits auf allen Ananas und fast allen Bananen der Supermarktkette Lidl. Auch bei Edeka und Rewe tragen die meisten das Siegel. Aldi Nord und Süd wollen nach einer Umfrage der Organisation Oxfam demnächst komplett bei beiden Fruchtarten auf Rainforest umstellen.
Doch selbst Bananen und Ananas mit dem Frosch kommen laut Oxfam mitunter von Plantagen, auf denen gegen Menschen- und Arbeitsrechte verstoßen wird. Die Firmen hätten nicht besser abgeschnitten als die Konkurrenz ohne das Siegel. Der Verband hat für eine am Dienstag veröffentlichte Studie Plantagen in Ecuador und Costa Rica besucht und über lokale Gewerkschafter sowie Umweltaktivisten mehr als 200 Arbeiter von 23 Plantagen befragen lassen. Die beiden Länder wurden ausgewählt, weil Ecuador Deutschland dem Statistischen Bundesamt zufolge die meisten Bananen liefert, Costa Rica die meisten Ananas.
Die Mehrheit der befragten Arbeiter auf den Rainforest-Alliance-Plantagen gaben laut Oxfam an, dass sie immer wieder schutzlos Pestiziden ausgesetzt seien. So würden Flugzeuge Pestizide sprühen, während Menschen auf der Farm sind. Oder sie müssten weniger als eine Stunde nach dem Sprühen wieder aufs Feld. „Wir machen uns große Sorgen, weil wir unter dem Pestizidregen arbeiten müssen. Wir bekommen Hautausschläge. Aber wenn man sich beschwert, riskiert man, entlassen zu werden“, zitiert der Verband einen Arbeiter eines Lidl-Zulieferers.
Schwindel- und Ohmachtsanfälle
Der ecuadorianische Exporteur Tropical Fruit Export bestreitet die Vorwürfe. Er verkauft an Lidl Bananen des beschuldigten Produzenten Matías. Da die Plantage so groß sei, könne in einem Teil gesprüht werden, obwohl sich in einem anderen Teil Arbeiter aufhalten. „Pestizide verbreiten sich sehr schnell und weit“, sagte dazu die Autorin der Studie, Franziska Humbert.
Auch die costa-ricanische Farm Agrícola Agromonte, von der Edeka, Rewe und Aldi Süd Ananas bezögen, sprühe häufig Pestizide, wenn Arbeiter auf dem Acker sind. Bei dem Lidl-Produzenten Finca Once in dem mittelamerikanischen Land bekämen die Beschäftigten zwar Schutzkleidung. Jedoch „ginge diese schnell kaputt, und die Ausgaben für Neuanschaffungen würden von ihrem Lohn abgezogen“, sagen Betroffene in dem Oxfam-Report.
Am meisten würden Arbeiter über Schwindel- und Ohmachtsanfälle, Erbrechen und allergische Hautreaktionen klagen. Die Finca nutze nach eigenen Angaben zum Beispiel die von der US-Umweltbehörde EPA als „wahrscheinlich krebserregend“ klassifizierten Chemikalie Diuron, Mancozeb und Oxyfluorfen sowie das von der WHO als akut toxisch eingestufte Oxamyl, das bei Einatmung tödlich wirkt.
Finca Once schrieb dazu, Lidl würde „jede Lieferung ständig“ auf Pestizide untersuchen lassen. Damit sind offenbar Rückstände in der Ware gemeint. Aber nicht alle verwendeten Mittel sind auch nach der Ernte noch in der Frucht zu finden. Die „meisten“ – also nicht alle – Sprühaktionen fänden frühmorgens oder abends statt, wenn keine Arbeiter auf dem Feld seien, so Finca Once weiter.
Mehrere Befragte aus Costa Rica erklärten, viele Feldarbeiter stammten aus Nicaragua. Sie hätten keine Aufenthaltserlaubnis und würden über Mittelsmänner beschäftigt. Zahlreiche Arbeiter müssten bis zu 12 Stunden arbeiten, um auf die rund 16 Euro Mindestlohn zu kommen, die ihnen laut Gesetz schon für 8 Stunden zustünden. Existenzsichernd wäre ein Lohn von mindestens 20 Euro. Finca Once wies den Vorwurf zurück, den Mindestlohn zu unterschreiten. Agrícola-Agromonte-Abnehmer Rewe und Edeka forderten von Oxfam konkretere Informationen, um die Angaben zu prüfen.
Gewerkschaft erlaubt oder verboten?
Die meisten befragten Arbeiter auf den Bananen-Fincas in Ecuador hätten über Entlassungen wegen Gewerkschaftszugehörigkeit berichtet, so Oxfam. Ähnlich sei die Lage auf zwei Ananas-Farmen in Costa Rica. Wohl auch deshalb gaben die meisten ecuadorianischen Befragten an, ihrer Meinung nach würde ihr Unternehmen es nicht zulassen, dass sie eine Gewerkschaftsgruppe gründen. Lidl-Lieferant Tropical Fruit schrieb dazu, seine Farm würde sich nicht gegen eine Gewerkschaft stellen. „Die Arbeiterschaft der Plantage hat jedoch bis jetzt keine gegründet.“
Rainforest Alliance teilte mit, ihre bereits „eingeleiteten Ermittlungen konnten die Anschuldigungen durch Oxfam Deutschland nicht bestätigen“. Man prüfe die Sache aber noch. Oxfam-Autorin Humberts Urteil steht dennoch schon fest: „Die Supermärkte kontrollieren das Aussehen der importierten Früchte penibel und geben ganze Lieferungen bei kleinsten Makeln zurück. Aber sie lassen es zu, dass die Menschen, die sie ernten, dabei vergiftet werden.“ Die Bundesregierung müsse den Handel dazu verpflichten, Menschen- und Arbeitsrechte bei ihren Lieferanten durchzusetzen.
Leser*innenkommentare
Arthur Dent
die Wurzel allen Übels? Das ist un dbleibt der Konsument - der hierzulande eben diese makellose Ware und immer bis zum Letzen gefüllte Regale erwartet. Das Wegwerfen führt doch zur maßlosen Überproduktion zu minimalen Kosten. Um diese generieren zu können, wendet sich der Produzent eben an den allerorten bestechlichen Politiker
lions
Wer diesen Frosch küsst, darf daraus nicht den Prinzen erwarten. Rainforest A. und Fairtrade sind Mindestansprüche, die dem Glauben des Kunden weit hinterher hinken. Fairtrade-Bananen aus DomRep ( dafür weltweit größter Produzent) werden von haitianischen Arbeitern produziert, die mit 4- 5 € pro Tag entlohnt werden.
mowgli
Sie haben den Glauben an einen guten Patriarchen ganz offensichtlich immer noch nicht verloren, die Oxfam-Deutschland-Leute. Vermutlich, weil sie selbst sich (nicht ganz unberechtigt) ebenfalls als eine Art von gutem Patriarchen begreifen.
Leider hilft es den Beschäftigten vor Ort kein Stück, wenn alle Patriarchen dieser Welt (die Bundesregierung eingeschlossen) sich unentwegt gegenseitig auffordern, endlich wirklich nett zu sein. Die Arbeiter sind und bleiben als Illegale in einer prekären Lage. Genau deswegen werden sie ja eingestellt: Sie müssen sich viel mehr gefallen lassen, als selbst noch der machtloseste Einheimische, der unter dem Schutz der lokalen Patriarchen steht. Schon Marx hat darauf hingewiesen, dass derartige Schwächen "bei Strafe des Untergangs" ausgenutzt werden müssen von den Unternehmern, die in Wettbewerbsgesellschaften agieren. Und damals hat es noch nicht einmal die allseits bekannte Geiz-ist-geil-Werbung gegeben, mit der die sogenannten Endverbraucher gehirnwäscheartig beschallt werden heutzutage.
Wer auf Teufel-komm-raus konkurriert, der musste sich noch nie wundern, wenn der Pferdefußbesitzer sich nicht all zu lange bitten ließ. Nützt offensichtlich alles nichts: Wer ernsthaft was erreichen will in Sachen Menschenrechte, der muss an die Wurzeln allen Übels ran, und das sind nun mal die Machtverhältnisse. Die nämlich haben eine unfaire Rechtslage zur Folge. Eine, die noch immer Menschen zu Vogelfreien macht, wenn sie ohne die ausdrückliche Erlaubnis der Herrschenden aktiv werden, und sei es auch nur in dem verständlichen Bestreben, sich und ihren Lieben das Überleben zu sichen.