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Outdoor-Ausstellung zum Thema WindMit der Landschaft verbunden

Wind wird schnell zum Sturm, wenn es um Metaphern geht. Die Ausstellung „bewegter wind“ in Nordhessen setzt ihn dagegen als Komplizen von Kunst ein.

„Bewegter Wind“ Ausstellungswege Foto: Winfried Junker-Schoenfelder

Wenn Wind ins Spiel kommt in der Kunst, dann verheißt das oft Unheil. Windmaschinen auf der Bühne erzeugten vor vier Jahren in der Performance „Dimanche“ beim Kunstfest Weimar einen Sturm, der alles hinwegfegte, Tiere, Menschen, Menschengemachtes. Und war selbst ein von Menschen beschleunigtes Element.

Bei der Choreografin Mette Ingvartsen kam der katastrophenverheißende Wind aus lärmenden Laubbläsern, die Wolken aus goldener Rettungsfolie über den Himmel trieben. In der Bühnenkunst wird Wind so oft zum Vorboten von Hybris, die den Umgang des Menschen mit Ressourcen und Elementen anklagt.

Windräder schauen über bewaldete Kuppen und Stoppelfelder in einer Hügellandschaft von Nordhessen. Hier, nahe der Ortschaft Zierenberg, macht das 12. Windkunstfestival „bewegter wind“ Station (bis 31. August 2025), das sich unter dem Titel „fresh“ den freundlichen Seiten von Wind widmet. Dazu kann seine Sanftheit, mit der er Wellen in eine Wiese oder ein Feld zeichnet, ebenso gehören wie seine Kraft, Veränderungen herbeizuführen, Trübsinn wegzublasen und den Himmel aufzuhellen.

Hüte, auf Stecken gespießt

Vom späten Nachmittag an bis in die Dämmerung hinein wandern so immer mehr kleine Grüppchen zwischen den über 30 Stationen umher, die Künst­le­r:in­nen aus Deutschland und internationale Gäste ins Grüne gepflanzt haben. Gleich aus dem Dorf heraus begleitet eine Gruppe aus wehenden Capes mit spitzen Hüten die Besucher, an Stecken aufs Feld gespießt von Jean Boskja Missler.

Ausstellung zum Wind

„bewegter wind“, bis 31. August 2025 in Zierenberg/nahe Kassel

Wie Ballons wölben sich die anthropomorphen Figuren, die die mexikanische Künstlerin Lorena Malo an der ersten Wegbiegung aufgestellt hat. Zwischen Bäumen voller Äpfel ziehen sich farbige Netze, die Irene Anton aus Strumpfhosen geknüpft hat.

Was viele Besucher schon von Weitem gesehen haben und schnell als Highlight gilt, ist eine blaue Iris, ein leuchtendes Auge, das MiKi Lazar aus unzähligen, vom Luftzug leicht bewegten Elementen montiert hat. Es ist auch ein Rahmen, um beim Durchblick die Landschaft immer wieder neu in den Blick zu nehmen.

Etagen aus Moos, übereinander geschichtet

Versteckter, aber nicht minder liebevoll, ist die zwischen zwei Bäumen schwebende Insel „Laputa“, von Markéta Váradiová und Mariana Slejsková aus der Tschechischen Republik gestaltet, in der Etagen aus Moos dicht übereinanderhängen.

Der Wind ist an diesem Abend mau. Die metallenen Röhren, die Heinz Schmid für eine große Klanginstallation aufgebaut hat, sind mit ihrem sanften Läuten zwar noch zu hören, viele andere Klangskulpturen aber bleiben stumm. Ein altes Grammophon kooperiert nicht mehr mit seinem windgetriebenen Motor, allein die Idee bleibt. Vorhänge, die am Tage der Eröffnung hoch über einer Wiese aufflatterten und den Blick auf Zierenberg freigaben, bewegen sich nur matt, gerade noch genug, für eine bewegte Reflexion des Lichts.

Kunst mit dem Wind zu verbinden, ist eben keine leichte Sache. Viel Tüfteln und Ausprobieren gehört dazu. Das Projekt „bewegter wind“ hat nicht viele Mittel, es ist auf ehrenamtliche Helfer angewiesen, die zum Beispiel Plakate kleben oder Künst­le­r:in­nen für eine Woche Arbeit vor Ort bei sich wohnen lassen. Und es wirbt um Spenden. Trotzdem konnte es, von einem Verein getragen, dieses Jahr zum zwölften Mal stattfinden.

Die Sonne ist untergegangen, als wir zu später Stunde an den letzten Skulpturen vorbei ins Dorf zurückkehren. Unter dem orangefarbenen Abendhimmel schweben weiter die Schiffchen, die wie aus Papier gefaltet sind, über eine Hügelkuppe; Schwimmende, ausgesägt und angemalt, gleiten über eine Wiese. Es ist dann doch ein harmonisches Zusammenspiel, das Kunst und Landschaft hier eingehen.

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