Otto Kernberg im Gespräch : Liebe und andere Identitätsgefühle
Aus New York City: Der Psychoanalytiker Otto Kernberg über sein Leben, Psychoanalyse und die Liebe - „taz Talks meets Queer Lectures“
Was ist eigentlich Liebe? Der Psychoanalytiker und -therapeut Otto Kernberg beschäftigte sich über Jahrzehnte hinweg nicht nur mit schweren Persönlichkeitsstörungen wie dem Narzissmus. Inzwischen 92 Jahre alt, wendet er sich seit einigen Jahren vermehrt den Liebesbeziehungen zu: der Mutterliebe, sexueller Liebe, der Liebe zur Natur, zu Tieren, zu Ideen – und insbesondere der Liebe in partnerschaftlichen Zweierbeziehungen.
Begehren, Verlangen, Zärtlichkeit
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taz Talk - Otto Kernberg: Über sein Leben, Psychoanalyse und die Liebe
Zugeschaltet aus seinem Sommerheim an der Küste von Maine, am nordöstlichen Ende der USA, spricht er im taz Talk mit Jan Feddersen über die zahlreichen Dimensionen und Facetten dieses wohligen Bündels von Begehren und Gefühlen mit identitätsstiftender, emanzipativer Kraft.
Von der Homosexualität zu Polyamorie bis zu den gewöhnlichen Formen heterosexueller Liebe sowie zu lange nur verschämt und voller Hass als „Abartigkeiten“ gelesene Formen der Zuwendung – sie sieht der in seinem Feld weltberühmte Psychoanalytiker als Zeichen der Freiheit.
Es gibt „eine Unmenge von Wegen, in denen man Intimität, Zärtlichkeit, sexuelles Interesse und Freundschaft verbinden kann“, so Kernberg in einem immer noch wienerisch gefärbten Deutsch, und ebenso viele Normen und Moralvorstellungen, die Liebende wie starke Strömungen in eine vorgegebene Richtung treiben.
Liebe als Identitätsgefühl
Die gemeinsame Behauptung reifer Individuen gegen diese Strömungen kann befreien, demgegenüber, „was richtig und falsch, was moralisch oder unmoralisch in der Sexualität und in der Liebe ist“.
Denn im breiten Spektrum der Möglichkeiten „zwischen Hyperkonventionalität und selbstzerstörerischer Auflehnung“ ist frei gewählte, gegenseitige Abhängigkeit „Teil eines Gefühls einer reichen Identität, die sich über die eigene Person hinaus erstreckt“.
Der Psychoanalytiker Otto Kernberg sprach zuvor bereits im taz-Interview über soziale Gruppen, Politik-Diagnosen und bösartigen Narzissmus
Otto Kernberg, 92 Jahre und Psychoanalytiker, ist in Wien geboren. Von dort 1939 vor dem Nationalsozialismus und dem Holocaust geflohen, ist er ein lebendiger Erzähler seines Lebens - und ein cooler Kommentator unserer heutigen Zeit. Kernberg, der seit langem in New York City lebt, hat eine Fülle von Büchern veröffentlicht: Zur narzisstischen Persönlichkeit, zur Liebe in den Zeiten der Moderne und zur Nervosität in der Ära großer Wandlungen.
Die taz sprach bereits in einem Interview mit dem Mann, der als einer der bedeutendsten Psychoanalytiker weltweit zählt.
Moderiert wird der Talk von Jan Feddersen, taz-Redakteur für besondere Aufgaben, Kurator der taz Talks und des taz lab und Vorstand der Initiative Queer Nations.
Dieser taz Talk über gesellschaftliche Zwänge und ihre Überwindung, über schwierige Neigungen des Menschen und über Liebe in all ihren Formen, ist Teil der Reihe „Queer Lectures“ der Initiative Queer Nations.