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Ostern im ReligionsvergleichDas besondere Licht

Christlicher Kerzenzauber und Butterlampen: eine Osternacht im Freiburger Münster mit wackeligem Chor und buddhistischer Expertise.

Das Licht von Kerzen zu Ostern im Freiburger Münster. So war das auch hier im Bild 2018 Foto: Patrick Seeger/picture alliance/dpa

Z wischendurch flüstern ist möglich in der Osternacht, wenn auch schwierig: Nicht nur auf die zugeraunte Botschaft, sondern auch auf die am Eingang des Freiburger Münsters für drei Euro erworbene Kerze in der Hand will ja geachtet sein. „Seltsam, wie dünn der Chor singt“, sagt die Tochter. „Ja. Ja schon“, bedächtiges Nicken, „aber schon auch schön.“ Ein paar Stearintropfen fallen auf die Schuhe. Bei den buddhistischen Zeremonien, erklärt später der Freund aus Nepal, der mitgekommen war, spiele Licht auch eine Rolle. Aber dafür gebe es dort dann Butterlampen, Dipas, die nicht tropfen.

Was den Chor angeht: Das stimmt. Also, Intonation und Rhythmus, alles okay. Aber die Stimmen wackeln sich merkwürdig verunsichert in ihre Einsätze hinein. Liegt es an den Lichtverhältnissen? Das ja wohl kaum. Auf dem Heimweg sorgt Googeln für Aufklärung: Der Domkapellmeister Boris Böhmann war gerade erst geschasst worden, Knall auf Fall, nach fast 22 Jahren. Sie sei ihm „sehr dankbar für sein großes Engagement“, heißt es eigentümlicherweise im Schreiben der Bistumsleitung zur Begründung. Die genaue Zahl der bisherigen Domsän­ge­r*in­nen, die dann empört in Böhmanns im März gegründete Chorakademie gewechselt sind, ist unbekannt. Zumal in den A-cappella-Gesängen der dunklen ersten Osternachthälfte klingt es, als wären es viele gewesen.

Aber Musik ist ja nicht alles. Das Münster ist bei der Ankunft rappelvoll, alle Bänke besetzt. Immerhin findet sich noch ein Mauervorsprung am Nordportal, der für vier reicht. Zwar versperrt ein Sandsteinbündelpfeiler von hier den Blick auf den Altarraum, in dem sich die Geistlichen tummeln. Aber die Kernszenen der Liturgie fängt die Livekamera ein. Und deren Bilder werden nicht nur ins Internet, sondern auch auf klug gehängte Screens in rund vier Meter Höhe übertragen. Das ist gut, denn es geht ja darum, möglichst viel mitzukriegen. Am meisten überrascht den Freund, der aus einem Himalayatal mit bedeutenden buddhistischen Klöstern stammt, wie stark die Zeremonien einander ähneln.

„Ich bin sonst wenig in Berührung mit religiösen Festen hier in der westlichen Welt, seit ich hier lebe“, sagt er. Und klar bestehen ein paar Unterschiede. Choräle zum Beispiel, das gibt’s so nicht bei ihm zu Hause. „Aber wir haben auch so Vorbeter, die schwierige Texte vortragen, und dann antwortet die Gemeinde“, sagt er. „Auch in so einer Art Gesang, aber kein richtiges Lied“: Antiphone, die ja diese Nacht-Messe prägen, lassen sich kaum besser beschreiben.

Je größer die Mütze, desto heiliger?

Auch der Rang der Würdenträger lässt sich bei ihnen ebenso wie hier anhand der verschiedenen Kopfbedeckung ablesen, bestätigt er. „Auch je größer die Mütze, desto heiliger?“ „Nee, das nicht. Also das ist … Es ist bei uns etwas komplizierter.“

Dafür würden aber eben genauso gleichgewandete, niederrangigere Leute um die geistlichen Würdenträger herumlaufen, in einer Art Uniform, „fast so wie Bodyguards“, sagt er über die Messdiener, „rechts und links von ihnen“. Die seien auch in buddhistischen Klosterzeremonien insbesondere dafür zuständig, die Priester zu beweihräuchern: „Weihrauch ist wichtig bei uns.“ Sich mit den Händen eine gedachte Verbindungslinie von der Stirn über die Nase zur Brust zu zeichnen, die Gebete, die Inhalte der Fürbitten, „für Frieden und Mitgefühl und so weiter, das finde ich sehr ähnlich“. Und ja, „es war sehr gut“, so alles in allem.

Nur das Ende, da treten deutliche Unterschiede zutage. Das allmähliche Crescendo der zweieinhalbstündigen Versammlung im Freiburger Münster mündet schließlich in spätromantisches Orgelgetöse, das unwillkürlich an 60er Jahre B-Movies mit wahnsinnigen Schurken denken lässt. „Also bei uns gibt es zum Abschluss einen heiligen Tanz, so im Kreis, vorne.“ Das klingt eigentlich netter.

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Immerhin, man dürfe nicht auf der Stelle treten, schließlich sei Gott immer für eine Überraschung gut, hatte der Erzbischof Stefan Burger in seiner erfreulich kurzen Predigt gemahnt. Aber ein Schlusstanz, nee, der fordert entschieden mehr Beweglichkeit, als ihm zuzutrauen ist.

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Reporter und Redakteur
Jahrgang 1972. Seit 2002 bei taz.nord in Bremen als Fachkraft für Agrar, Oper und Abseitiges tätig. Alexander-Rhomberg-Preis 2002.
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1 Kommentar

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  • Eher ungewöhnlich, Impressionen aus einem (christlichen) Gottesdienst hier zu lesen, aber nett gemacht, wie ich finde. Auch der Brückenschlag zum Buddhismus mit einem ‚Insider‘… Respekt!